Abstauberjagd bei der Drückjagd – Wenn schon, denn schon…

Aufmacher

Aufmerksam: bewacht dieser Waidmann die Wechsel. Ob geladener Gast oder Abstauber, in jedem Fall muss sein Stand allen Beteiligten bekannt sein. Foto: Karl-Heinz Volkmar

Eine Drückjagd ist anberaumt und damit auch die Abstauberjagd. Der Reviernachbar bekommt davon Wind und setzt sich mit einigen Freunden ebenfalls an, um abzustauben. Welche Probleme damit einhergehen und welche Möglichkeiten bestehen diese zu lösen, erläutert Revierpächter Hartwig Görtler.

Abstauberjagd. Die Grenzen abstellen. Passives Drückerchen. Egal wie man es nennt, es ist ein heißes Eisen. Aber nun mal langsam. Worüber reden wir hier überhaupt? Erst einmal darüber, dass in einem Gebiet eine Drückjagd stattfindet und nebenan zeitgleich ebenfalls die Jagd ausgeübt wird. Hier wird zumindest schon einmal deutlich, dass es sich beim Für und Wider im Kern um moralische oder soziale Emotionen handelt – wobei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch noch ein paar Sicherheitsaspekte eine Rolle spielen. Oder zumindest spielen sollten.

DIE PERFEKTE DRÜCKJAGD

Die alljährliche Drückjagd ist für viele das Highlight des Jagdjahres. Besonders, wenn es die eigene ist. Man plant sie akribisch, eine solide Strecke ist erklärtes Hegeziel. Hierauf wird das ganze Jahr hingearbeitet. Es werden Drückjagdstände gebaut und strategisch wertvoll im Revier verteilt. Es wird gekirrt, um das Wild zu binden und im Einstand zu halten. Vielleicht wird sogar die gesamte Jagdstrategie auf dieses Ereignis ausgelegt, also entsprechend gehegt und geschont. Man stimmt sich mit den Reviernachbarn ab, legt die Drückjagd vielleicht sogar revierübergreifend an. Es werden Treiber organisiert und Hundemeuten geordert, Versicherungen abgeschlossen – das alles kostet Zeit und Geld.

Am Tag der Tage blasen die Bläser zum Sammeln, der Jagdleiter weist ein und erteilt die Freigaben, an die sich alle zu halten haben. Die Ansteller übernehmen ihre Gruppen, führen sie an die Stände und machen vor Ort noch eine Sicherheitseinweisung inklusive der Lage der Nachbarstände und der Gefahrenbereiche. Es folgt eine wild- und streckenreiche Jagd, die Strecke wird natürlich gemeinsam gelegt und verblasen. Danach folgen ein zünftiges Schüsseltreiben und das Ende der Jagd. Keine Frage – so sollte es sein. Veranstaltet der Nachbar dann eine Abstauberjagd, ist dies sehr ärgerlich!

KEINE ABSTAUBERJAGD – DIE REVIERNACHBARN MIT IM BOOT

An dieser Drückjagd können so viele Reviere beteiligt sein, wie nur möglich – irgendwo wird Schluss sein, spätestens dann, wenn wir auf Landes- oder Bundesgrenzen stoßen. Und es wird einen Nachbarn geben, der nicht direkt und unmittelbar an der Drückjagd beteiligt ist. Daher wird’s immer eine Reihe von Schützen geben, die diesseits der Grenze stehen und denen gesagt wird: hinter dieser und jener Stelle beginnt das Nachbarrevier. Vielleicht darf man überjagen, vielleicht ist aber auch das untersagt und somit direkt an der Grenze Schluss. Für den Schützen ist das folgende Szenario natürlich bitter: Man hört die Hunde spurlaut werden, kurz darauf sieht man eine Rotte anwechseln. Und dann biegen die Sauen hart rechts zum Nachbarn ab, gefolgt von einigen Schüssen nebst Kugelschlag. Noch ärgerlicher, wenn es ein reifer Keiler ist, womöglich bei mir selbst nicht frei und damit, obwohl die Waffe gut im Ziel, nicht beschossen und durchgelassen.

Ein solcher Bericht lässt nach der Jagd jedem Jagdleiter die Halsschlagader anschwellen, und man ist froh, wenn es beim Schüsseltreiben einen Doppelten gibt, um den Frust zu betäuben. Vielleicht wollen sich Nachbarn nicht an der Drückjagd beteiligen. Oder sie können es nicht, weil sie hierfür nicht die richtige Revierstruktur haben. Aber betrachten wir das Ganze noch aus verschiedenen Perspektiven, bevor wir zu einem Resümee kommen. Muss eine Abstauberjagd sein?

Geschossene Bache liegt mit dem Rücken auf einem Feld.

Ärgerlich: eine Bache wird erlegt. Die Schützen der eigentlichen Drückjagd halten sich an die Freigabe und lassen sie laufen. Kaum im Nachbarrevier, lässt ein Abstauber sie rollieren. So entstehen Unstimmigkeiten! Foto: Pauline v. Hardenberg

TYP 1: ZWEI REVIERE, EINE DRÜCKJAGD

Wir haben zwei Reviere. Beide haben Schalenwild fest im Einstand in ihrem waldreichen Gebiet. Die erste und die beste Option ist sicherlich, wenn sich beide Seiten an der Drückjagd beteiligen und so weit wie möglich einbringen: in die Planung und in die Umsetzung, mit dem Stellen von Treibern und abgestimmter Standvergabe. Gerade für eine straffe, aber nachhaltige Bejagung des Schwarzwildes ist eine weit angelegte, revier- und einstandsübergreifende Drückjagd sehr wertvoll und zielführend. Eventuelle Animositäten zwischen den Reviernachbarn, wenn vorhanden, sollten dem gemeinsamen Ziel untergeordnet werden. Gemeinsam jagen, eine revierübergreifende einheitliche Freigabe, gemeinsames Legen der Strecke und eine Absprache zur Aufteilung der Strecke führen nicht nur zu einer Gemeinschaft. Sie steigern auch die Strecke, denn es werden die Einstandsgebiete hüben wie drüben geplant bejagt und die Wechsel zwischen den Einständen in die Jagd mit einbezogen. Keine Frage – so sollte es sein.

TYP 2: ZWEI REVIERE, EINE ABSTAUBERJAGD

Oder haben wir ein waldreiches Revier mit top Einständen und einem Reviernachbarn, der vorwiegend Feld und Wiese sein jagdliches Eigen nennt? Wie soll ich mich an einer Drückjagd im Nachbarrevier aktiv beteiligen, wenn meine Revierstruktur es einfach nicht zulässt? Beispiele hinken immer, aber um es etwas bildlicher zu machen: der Nachbar macht eine Drückjagd in seinem 400-Hektar-Waldrevier. Der andere Nachbar hat ebenfalls 400 Hektar, allerdings fast ausschließlich Feld und Wiese. Und darauf auch noch einen nicht zu verachtenden Wildschaden.

Drücken? Treiben? Anrühren? Wenn Hase und Fasan mit ins Treiben sollen, könnte man das machen. Aber Schalenwild und im speziellen Sauen, Rotwild oder Damwild? Da gibt’s nur Wechsel oder Fernwechsel. Das Abstellen dieser „Autobahnen“ macht natürlich Sinn. Aber: Es einfach nur und ohne Absprache zu machen, trägt nicht zum guten Miteinander bei. Und zur Sicherheit schon gar nicht. Eine gemeinsame Jagdbesprechung mit gedachtem Verlauf und Standplanung aller beteiligten Reviere ist das Mindeste. Auch das im Vorfeld abgestimmte Abstellen wäre eine Form der Beteiligung. Das ist allein schon sinnig, damit das Abstellen der Abstauber bereits vor dem Beginn des Anstellens der Drückjagdschützen erfolgt und man bereit ist, sobald das Wild in Bewegung kommt.

Auf diese Art stellt man am ehesten sicher, dass das Wild im Treiben bleibt und nicht schon vorher stiften geht. Eine gemeinsame Standplanung ist auch in diesem Fall oberstes Gebot – so kann auf beiden Seiten auf Stände, Schützen und Sicherheitsbereiche hingewiesen werden. Auch eine Absprache zur Wildfolge und zum Überjagen muss zur Pflicht gehören. Ich denke, dass man ein Überjagen an einem solchen Tag ebenso dulden sollte wie überjagende Hunde. Die Besprechung und Abstimmung der Freigaben ist dann die Kür. Gemeinsam jagen bedeutet auch gemeinsam Strecke zu machen und diese dann später auf- und zuzuteilen. So wird es eine gemeinsame Jagd, ohne eine revierübergreifende Drückjagd zu sein. „Abstauberjagd“ hat hier keinen negativen Beigeschmack, denn das Vorgehen ist miteinander und aufeinander abgestimmt.

Satellitenbild von einem Schlag im Wald mit der grafische Darstellung von Jägern und Abstaubern.

Foto: Google Maps

TYP 3: ZWEI REVIERE, EIN VERWEIGERER

Und dann gibt es noch den König. Den Herrscher über seine Auen, der seine Grenzen wahrt und notfalls auch verteidigt. Man kann niemanden zu einer Beteiligung an einer Drückjagd zwingen, das ist sonnenklar. Insofern ist der Jagdherr der Herr der Reusen – und das gilt für die Parteien zu beiden Seiten der Reviergrenze gleichermaßen. Aber bei Drückjagden nicht zu kooperieren und Grenzen wie selbstverständlich abzustellen, womöglich noch Treiber zu beschimpfen, die den Fuß ins falsche Revier setzen oder über überjagende Hunde wettern, das geht gar nicht. Hier labt man sich am Fleiß der anderen.

Es ist, selbst bei einem nicht idealen Nachbarschaftsverhältnis, nicht zu viel verlangt, sich kurz abzustimmen und sich vielleicht auch einmal selbst aktiv beim Nachbarn nach dem Planungsstand seiner Drückjagdplanung bzw. dem Stand seiner Abstellplanung zu erkundigen. Juristisch mag es sich verhalten, wie es will, es mögen zwei getrennte Jagden in unterschiedlichen Revieren sein. Anständig ist es deswegen noch lange nicht, sein eigenes Ding zu drehen, nur weil man darf und kann.

Und obendrein ist es sehr gefährlich – sowohl für die eigenen Schützen als auch für die des Nachbarn. Zu oft wird vergessen, dass man auch beim Abstellen schnell den Charakter einer Gesellschaftsjagd erfüllt: je nach Bundesland gilt das ab drei oder vier Personen, die auf eine Art zusammenarbeiten, die eine Steigerung des Jagderfolgs bewirkt. Stellt man also drei, vier oder mehr Schützen ab, leitet man mit ziemlicher Sicherheit eine Gesellschaftsjagd. Und für die Einhaltung der dann greifenden Regeln ist der Jagdleiter verantwortlich.

DIE SICHERHEIT DER SCHÜTZEN GEHT VOR

Papperlapapp – da kann doch nichts passieren? Ich hatte gerade erst das Vergnügen, nach dem Schuss eines unsichtbaren Abstaubers überhaupt zu bemerken, dass da jemand in feinstem grünen Zwirn genau in meinem Hauptschussfeld saß – und ich dort sogar schon Strecke gemacht hatte. Im Revier des Nachbarn wurde nämlich nicht einmal auf das Tragen von Warnwesten Wert gelegt. Auf den Passus „jeder war für seinen Schuss selbst verantwortlich“ müssen sich abstaubende Pächter und deren Ansteller hier übrigens nicht berufen – sie hätten wissen müssen oder wissen können, wo die Stände des „offiziell“ jagenden Nachbarn sind. Sie handeln aus meiner Sicht bereits grob fahrlässig, denn sie beteiligen sich de facto indirekt an der im Nachbarrevier stattfindenden Drückjagd. Das allein zeigt schon, wie wichtig es ist, sich zumindest über das Wesentlichste abzustimmen.

ZUSAMMENARBEIT UND KOORDINATION

Ich halte von dieser Mentalität des Einigelns und des Abschottens gar nichts. Sicherlich kann man sich seine Reviernachbarn nicht immer aussuchen, und nicht jeder Nachbar ist auch gleich ein guter Freund. Das macht ein solches Handeln manchmal nachvollziehbar. Aber unterm Strich sind alle jetzt kommenden Argumente, warum eine Zusammenarbeit nicht möglich ist, nur vorgeschobene Ausreden. Denn was Kaninchen und Fuchs zustande bringen, sollte auch zwischen Jagdausübungsberechtigten einen Tag lang machbar sein: Es gilt für beide Seiten gleichermaßen, für diesen einen Tag der Drückjagd einen Burgfrieden zu schließen. Denn ob mit Absprache oder ohne: die Drückjagd wird stattfinden – da ist es besser, es koordiniert zu tun. Wenn ich etwa weiß, wann angestellt und ab wann in welche Richtung gedrückt wird, kann auch der Abstauber seine Jagd viel besser planen – und wird mehr Erfolg haben. Eine klassische Win-win-Situation.

OHNE KOMMUNIKATION GEHT’S NICHT – ES DROHT ABSTAUBERJAGD

Oft hilft es schon, den Nachbarn einfach zu seiner Drückjagd einzuladen. Sagt er zu, ist er aktiv dabei. Will er lieber in seinem Revier jagen, dann ist der Gesprächsfaden aufgenommen und man kann sich besprechen und abstimmen. Ich denke, „Abstauberjagd“ hat so tatsächlich zwei Bedeutungen. Koordiniert und abgestimmt kann man so eine Drückjagd gut ergänzen und sogar unterstützen. Hier ist das Abstauben sicherlich freundlich und kollegial gemeint. Abstauben, nur weil man es darf oder man dem Nachbarn seine Drückjagd nicht vergönnt, hat einen negativen Touch. Es ist nicht nur gefährlich, oft gießt es Öl ins Feuer. Vielleicht ist es streckenreich – aber in jedem Fall kontraproduktiv.

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