Kapitale Rehböcke – 10 Fakten für den Jäger

Starke Rehböcke sind das Ergebnis ihrer Genetik und der äußeren Bedingungen. Biologin Dr. Nina Krüger klärt zehn interessante Fragen zur richtige Hege.

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©Pauline von Hardenberg

Was sagt der Träger über das Alter der Rehböcke aus?

Der Träger wird, wie der restliche Körper, mit den Jahren erst mal immer stärker. Nicht nur durch das ständige Tragen des Haupts, sondern auch durch das häufige Markieren an Büschen und Sträuchern und durch Territorialkämpfe wächst die Bemuskelung und somit die Stärke des Trägers. Zur Ausbildung einer starken Muskulatur trägt außerdem ein hoher Testosteronspiegel bei. Die Testosteronproduktion steigt bis zu einem gewissen Alter jährlich an, bevor sie wieder abfällt. Ein starker Träger ist zwar kein genaues Merkmal, jedoch immer ein Zeichen für einen mehrjährigen Bock.

Hängen Wildbret- und Trophäenstärke miteinander zusammen?

Die körperliche Verfassung hat natürlich Einfluss auf die Trophäenstärke – jedoch nicht nur. Da relative Wildbretgewichte aus den Lebensraumbedingun- gen resultieren, die sich vor allem aus Äsungsqualität, Witterung, innerartlicher Konkurrenz und Jagddruck zusammensetzen, ist zu erwarten, dass sich in Gegenden mit höheren Wildbretgewichten auch höhere Gehörngewichte ergeben. Das Gehörn ist Produkt der genetischen Veranlagung und direkter physiologischer Investition. Im Unterschied zu allen anderen heimischen Geweihträgern ndet die Geweihneubildung beim Rehwild weitgehend zu einer Zeit statt, in der die Ressourcen knapp sind – im Winter. Da auch unter günstigen Bedingungen die aufgenommene Äsung nicht alle benötigten Elemente enthält bzw. diese physiologisch nicht in ausreichendem Maße umgesetzt werden können, muss bei der Geweihbildung auch auf vorhandene Ressourcen zurückgegriffen werden.

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Kapitel Rehböcke – Genetische Veranlagung?

Hat ein Bock also schon vor dem Abwerfen eine gute Konstitution und konnte aufgrund von Lebensraum und Dominanz in guter Verfassung in den Winter gehen, sind seine Voraussetzungen schon einmal besser als bei schwächeren Böcken. Ein genetisch gering veranlagter Bock wird es jedoch trotz guter Äsung und Ruhe nicht auf Schwedenniveau schaffen, während ein massig veranlagter Bock bei Stress und Mangelernährung sein Potenzial nicht entfalten kann. Genetik tritt allerdings oft erst dann deutlich erkennbar zutage, wenn Umweltfaktoren ausgeschlossen werden können. So ist es möglich, mit der richtigen Hege und Schaffung der richtigen Revierbedingungen im Laufe einiger Generationen die Qualität des Rehwildes zu verbessern. Entscheidend hierfür ist immer auch die richtige Selektion des weiblichen Wildes.

Wann ist der Rehbock in der Regel am Zenit?

Dies ist tatsächlich regional und individuell unterschiedlich und hängt ebenfalls von den Umweltbedingungen ab. Mancherorts wird ein Rehbock ab dem vierten Jahr nicht mehr stärker, insbesondere dann, wenn die Bedingungen für ihn nicht ideal sind, beispielsweise die Äsung hart und der Zahnabschliff schon in jungen Jahren weit fortgeschritten ist. Auch Stress lässt Rehwild, ebenso wie uns, früh altern. Anderenorts, in ruhigen Revieren mit guten Standorten, sind Böcke erst mit dem fünften oder sechsten Jahr auf ihrem Höhepunkt und können hier auch insgesamt deutlich älter werden.

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Gibt es in Durchschnittsrevieren kapitale Rehböcke?

Natürlich kommt es vor, dass sich unter den durchschnittlichen Böcken mal ein Durchmogler findet, der vergleichsweise stark ist – gerade in sehr abwechslungs- und strukturreichen Revieren ist dies der Fall. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass wenn sich die heimischen Böcke um die 250 Gramm bewegen, unter ihnen ein 600-Gramm-Gigant auftaucht. Mit der richtigen Hege ist jedoch in vielen Gegenden noch etwas herauszuholen. Besonders Ruhe, Reduktion der innerartlichen Konkurrenz und Verbesserung der Äsung, beispielsweise durch Wildäcker und/oder Obstbaump anzungen, helfen dem Rehwild.

Was bringt die Masse ins Gehörn der Rehböcke?

In manchen Revieren sind Zweijährige schon stärker als anderswo Vierjährige. Die Masse des Gehörns ist jedoch überall Produkt von Umweltbedingungen und Genetik. Ist die Veranlagung also gegeben, stimmt die Wilddichte und die Äsung, kann sich das Potenzial eines Bocks entfalten. Eine gute Knochenstruktur, für die der Grundstein schon während des Säugens gelegt wird, bringt schließlich die Masse ins Gehörn, da zur Neubildung Knochensubstanz abgebaut werden muss. Dafür ist auch die Hege und Selektion des weiblichen Wildes ausschlaggebend, die häufig außer Acht gelassen wird. Alte Ricken dulden meist keine anderen neben sich und führen häufig einzelne schwache Kitze. Auch der Kitzabschuss beiderlei Geschlechts trägt zur Konkurrenzminderung bei. Die Wilddichte spielt auch für die Übertragung von Krankheiten eine Rolle. Parasiten kosten Kraft, die nicht in die Gehörnentwicklung gesteckt werden kann.

©Silvio Heidler

Warum stehen in Waldrevieren selten kapitale Rehböcke?

Gerade Monokulturen sind artenarme Standorte, die dem Rehwild als Konzentratselektierer nicht viel zu bieten haben. Dazu kommt meist die Konkurrenz mit Rot-, Dam- und Schwarzwild. Hochwild macht dem Rehwild zu schaffen. Auch die rehwildfeindliche Haltung in vielen Forsten. Die radikale Nachstellung der „Knospenfresser“ lässt Böcke weder alt werden, noch gönnt sie ihnen die nötige Ruhe, um ihr Potenzial zu entfalten. Gerade dies wird oft unterschätzt.

Wie erkenne ich den alten Bock in der Blattzeit?

Den wirklich alten Bock, also jenen, der seinen Zenit überschritten hat, erkennt man häufig daran, dass er kaum im Erscheinung tritt. Er hat oft nur einen kleinen Einstand und stellt nicht mehr jederzeit jedem Rock nach. Er weiß, was Vorgeplänkel ist, und müht sich erst, wenn es zur Sache geht. Oft steht ein Schmalreh bei ihm. Auf das Blatt reagiert er aus Erfahrung gar nicht oder nur extrem zögerlich. Auch der reife Bock ist nicht leicht zum Springen zu bewegen, er ist gerade zur Hochbrunft ausreichend beschäftigt und lässt sich nicht so schnell täuschen, wie die unerfahrenen Zweijährigen, die auf ein schnelles Abenteuer hoffen.