Es ist bereits Januar, doch der Abschuss von Rotwild ist noch nicht ganz erfüllt. Vielerorts lässt die Schusszeit es zu, noch das ein oder andere Stück zu erlegen. Ist dies nun problemlos machbar, oder gibt es hierbei doch einen Haken? Zwei beeindruckende Erlebnisse von Friedrich Karl v. Eggeling sind hier wiedergeben.
Mangelnde Äsung und falsche Bejagung – auf diese zwei Kernpunkte lassen sich die Ursachen für hohe Verbiss- und Schälschäden durch Rotwild reduzieren.
1. Beispiel
Es ist Januar, im Revier hat sich ein Rudel Rotwild eingefunden. So ungefähr 20 Kopf stark. Wahrscheinlich wurde es durch die auf dem nicht weit entfernten Truppenübungsplatz lebenden Wölfe auf die Läufe gebracht und zur Flucht hierher veranlasst. Die Kälber in der Mitte, die Alttiere beschützend um sie herum, stehen sie gleich einer Wagenburg zwischen den Bäumen. Tagsüber dient ihnen der Wald als Einstand, mit Einbruch der Dunkelheit ziehen sie auf die angrenzende Wiese, um am nächsten Morgen wieder zu Holze zu ziehen. Schaden im Wald hat das Rudel bis jetzt noch nicht verursacht.
Demnach hätte man sie ruhig gewähren und den Finger gerade lassen können. Das Jagdfieber geht jedoch zuweilen mit einem durch, die Gelegenheit ist günstig, und ein passendes Schmaltier liegt. Der anfänglichen Erlegungsfreude folgt bald darauf jedoch die finanzielle Enttäuschung: Das restliche Rudel zieht in eine nahegelegene Dickung und bleibt dort mehrere Tage. Die Konsequenz ist Verbiss von der Krone bis zur Wurzel in fast dem gesamten Dickungskomplex. Dieser immense Schaden ist somit selbst herbeigeführt.
Rotwild im Januar
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2. Beispiel
Der Geldbörse gegenüber freundlicher verhielt es sich bei einem anderen Januar-Ansitz: Das gefährtete Rotwild zieht tatsächlich in einem zwölf Kopf starken Rudel am Schützen vorbei, das Geschoss jedoch bleibt im Lauf. Wenige hundert Meter hinter dem Rudel folgt ein scheinbar abgeschlagenes, zumindest sichtlich nicht zum Rudel gehörendes Stück, welchem die Kugel angetragen wird. Auch dieses Stück liegt im Knall, das verbleibende Rudel jedoch erfährt hierdurch keinen Stress, und die Schälschäden bleiben aus.
Erkenntnis
So wie jede andere Schalenwildart hat auch das Rotwild im Winter seinen Bedarf an täglicher Energie auf ein Minimum zurückgefahren. Zusätzliche Beunruhigung bedeutet jedoch in jedem Fall erhöhten Energieaufwand. Und dieser wiederum kann in einer winterlich-verschneiten Landschaft schlichtweg nur durch Schäden im und am Wald gedeckt werden. Es ist bereits länger bewiesen, dass Rotwild, so es in Stress versetzt wird, ein Vierfaches an Energie benötigt als im Ruhezustand.
Dieses Mehr an Energie kann katastrophale Folgen für die Waldverjüngung mit sich bringen. Als Ergebnis muss dann wieder einmal die Geldbörse geöffnet werden. Es leidet demnach das Wild, da in Stress versetzt, sowie das eigene Portemonnaie. Wer dennoch dem Rotwild im Januar nachstellt, sollte sich der nachgelagerten Konsequenzen, nämlich erhöhtem Stress für das Rotwild sowie daraus resultierend vermehrtem Verbeißen und Schälen, bewusst sein. Die Jagd auf Rotwild geht bereits im August auf, in einigen Bundesländern sogar schon im Juni (Landesgesetze beachten).
Es steht somit genügend Zeit zur Verfügung, den Abschussplan zu erfüllen. Sollte dies aus verschiedenen Gründen jedoch nicht gelingen, so ist dennoch auf das Wohlbefinden des Wildes Rücksicht zu nehmen. Soll heißen: Drückjagden im Januar haben strikt zu unterbleiben. Der Abschuss eines Stücks aus einem größeren Rudelverband heraus sollte ebenfalls nicht in Betracht gezogen werden. Kommen jedoch kleine Familienverbände beziehungsweise einzelne passende Stücke Rotwild, so können und sollten diese intensiv bejagt werden.
Dies ist vielleicht nicht ganz so vergnüglich wie eine Gemeinschaftsjagd im Freundeskreis. Jedoch nimmt diese Art der Bejagung auf die biologischen Gegebenheiten des Rotwildes Rücksicht. Dennoch kann so in den letzten Wochen der Abschussplan erfüllt werden – sofern nötig –, und etwaige Schälschäden halten sich auf einem erträglichen Niveau.
Auf SparflammeAlle Körperfunktionen des Rotwildes sind mit Beginn des Winters darauf ausgelegt, Energie zu sparen. Es verkleinert seine inneren Organe wie Herz, Nieren, Leber, Pansen beträchtlich – letzteren um ungefähr 60 Prozent. Selbst bei Äsung im Überfluss baut es nun zuvor angeästen Feist ab. Auch der Herzschlag wird zu dieser Jahreszeit deutlich reduziert, nämlich von 60 bis 70 Schlägen pro Minute im Herbst auf nun 30 bis 40 Schläge pro Minute. Zudem kann Rotwild seine Temperatur unmittelbar unter der Haut um mehr als 15 Grad Celsius senken. |