Bejagung reifer Damschaufler – Auf Pendler und Durchzieher

Aufmacher_Damwildbrunft

Damschaufler im flotten Troll: auf seinem Weg von einem Brunftplatz zum anderen hat er keine Zeit zu verlieren – jedenfalls nicht, wenn er dabei Freiflächen passiert. Warum auch, wenn man nur Kahlwild im Haupt hat. Foto: Klaus-Herbert Schroeter

Im Oktober brunftet das Damwild – und zwar auf angestammten Brunftplätzen im Wald. Wie man trotzdem in dieser Zeit im Feldrevier erfolgreich auf Damschaufler waidwerken kann, das weiß Damwildkenner und Eigenjagdbesitzer Alexander Schroeter.

Es ist Mitte Oktober. Buchen-, Birken- und Ahornblätter verfärben sich goldgelb und rot. Zwischen Tag und Nacht nehmen die Temperaturunterschiede zu. Die Tage werden kürzer. Der Herbst zeigt seine wahre Schönheit. Inmitten dieser herbstlichen Pracht beginnt mit der alljährlichen Damhirschbrunft die spannendste Zeit in meinem Revier.

Nach der Ernte kehren Damschaufler heim

Die in unserer Region vorherrschende parkähnliche Kulturlandschaft mit Wald, Feld, Wiesen und Gewässern bietet dem Damwild hervorragende Lebensbedingungen. Waren die Wälder der hiesigen Reviere im Sommer noch damwildfrei, zieht es seit Mitte August hier wieder seine Fährten, nachdem es im Feld seiner Raps- und Getreidedeckung beraubt wurde.

Ein plätzender Hirsch zur rechten

Die Nacht war sternenklar, und am Horizont kündigen sich am frühen Morgen die ersten Vorboten des Tages an. Ich stelle meinen Wagen am Wegesrand ab und höre von den beiden Brunftplätzen – einer liegt in nordöstlicher, der andere in südwestlicher Richtung außerhalb meines Reviers – das Schnarchen der brunftigen Damschaufler. Im Schatten der noch zu unserem Revier gehörenden Waldkante pirsche ich gut 400 Meter einen landwirtschaftlich genutzten Weg entlang, an dessen Biegung sich kurz vor der Reviergrenze mein in der Brunft schwerpunktmäßig genutzter Hochsitz an einer offenen, landwirtschaftlich genutzten Fläche befindet. Die geschlossene Kanzel steht an einer, noch zu meinem Jagdrevier gehörenden Erlenkultur.

Die lautstarken Brunftgeräusche der Hirsche durchdringen die frische Morgenluft. Ich baume auf, öffne die Fenster und vernehme von beiden Brunftplätzen, sowohl von dem vor mir liegenden Brunftplatz im Waldstück in nordöstlicher Richtung, wie auch vom Brunftplatz in dem in meinem Rücken liegenden Waldgebiet, das Geschrei der um die Gunst des Kahlwildes werbenden Hirsche. Ich sitze noch nicht lange, da zieht vor mir auf die Fläche Kahlwild. Hinter mir im Bestand höre ich das Krachen aufeinander prallender Geweihe.

Brunftplatz wechselnder Schaufler: seiner Zielstrebigkeit wegen bleibt zum
Ansprechen kaum Zeit. Jede Sekunde zählt! Foto: Alexander Schroeter

Plötzlich vernehme ich rechts hinter mir im Erlenbestand das Plätzen eines Hirsches, der sich vorsichtig durchs Stangenholz schiebt. Zunächst scheint er verdeckt, so dass ich nur die linke Stange in Augenschein nehmen kann. Das Jagdfieber in mir steigt. Der erste Eindruck sagt mir, es ist ein mittelalter, angehender Damschaufler. Die Mittelsprosse sitzt tief. Aber wie sieht die rechte Schaufel aus? Mein Adrenalinspiegel steigt, ich spüre deutlich meinen Puls. Nun präsentiert sich der Geweihte vollständig zwischen den Bäumen. Er schreit nur zaghaft. Mein erster Eindruck täuschte mich nicht, die rechte Stange entspricht der linken. Es handelt sich also um einen mittelalten Damschaufler gemäß dem Hegeziel, der sich in den nächsten Jahren weitervererben soll.

Freude am großartigen Anblick

Der Geweihte verhofft an der Feldkante und äugt interessiert in Richtung des gegenüber im Bestand liegenden Brunftplatzes. Es scheint, als lausche er den von dort kommenden akustischen Brunftsignalen. Majestätisch zieht der mittelalte Hirsch über die Freifläche dem Brunftplatz entgegen und verschwindet im Wald. Die Enttäuschung darüber, diesen Morgen keinen Jagderfolg gehabt zu haben, geht schnell in Freude über diesen großartigen Anblick über, und ich danke Diana für das Erlebte. Heute, wie auch in den vergangenen Tagen sollte es trotz unermüdlichen Einsatzes nicht klappen mit dem reifen Brunfthirsch, doch wie häufig habe ich von dieser Kanzel schon erfolgreich auf alte Damschaufler gewaidwerkt, obwohl sich der Hauptbrunftbetrieb nicht im eigenen Revier abspielte.

Das Ansprechen eines Damschauflers im Schnelldurchlauf

Kommen wir zurück auf den wunderbaren Anblick des Halbschauflers. Noch in Gedanken an den Vortag beziehe ich am nächsten Morgen bei bestem Brunftwetter wieder meinen Sitz zwischen den Brunftplätzen. Die Nacht war kalt, und in tieferliegenden Bodenwellen haben sich Nebelbänke gebildet, die der aufgehenden Sonne nur zögerlich weichen wollen. Ein Feldhase kommt den Weg entlang und verhofft direkt vor der Kanzel. Am Himmel höre ich Graugänse schnattern. In der Ferne entdecke ich auf der Freifläche zwei Damspießer, die vertraut dem Waldgebiet in südwestlicher Richtung entgegenziehen. Lautstark schallt mir das Geschrei der Schaufler vom nordöstlich gelegenen Nachbarbrunftplatz entgegen.

Plötzlich zieht, von diesem Brunftplatz kommend, ein starker, einzelner Schaufler spitz auf mich zu. Wie viele Geweihte hatte ich in dieser Brunftperiode schon laufen lassen? Ein Blick durchs Fernglas und der wichtige erste Eindruck: Der passt! Ich nehme sodann mein Spektiv zur Hand und gehe die Altersmerkmale in Sekundenbruchteilen im Geiste durch, denn mehr Zeit bleibt mir nicht: dicke Schaufeln, vorhandene Altersleiste, mürrisches Haupt, waagerechter Träger. Ich fühle mich bestätigt. Es handelt sich um einen alten, reifen Hirsch. Zügig nehme ich meine Büchse zur Hand und nutze die passende Auflage. Der Hirsch ist zwischenzeitlich bis auf 100 Meter herangewechselt.

Jetzt zieht er zügig quer und müsste mit jeder Sekunde in meinen Wind kommen. Mein Puls schnellt hoch, aber viel Zeit, aufgeregt zu werden, habe ich nicht. Ein kurzer, lauter Pfiff lässt den Schaufler breit stehend verhoffen. Ein Schuss durchbricht das Hirschkonzert des Nachbarbrunftplatzes. Der Hirsch vollzieht eine Drehung um 180 Grad und flüchtet in die Richtung, aus der er ursprünglich auf mich zugezogen kam. Nach 200 Metern bricht der zehn- bis elfjährige Schaufler auf der Freifläche zusammen.

Geschossener Damschaufler liegt auf dem Boden.

Zehn- bis elfjähriger Ernteschaufler: Lohn des unermüdlichen Ansitzens. Foto: Alexander Schroeter

Sternstunde der Schaufler-Jagd

Nach vielen erlebnisreichen Tagen im Revier und fantastischen Brunfterlebnissen auch ohne einen eigenen Brunftplatz überkommt mich ein Gefühl des Erfolgs und der Glückseligkeit. Ich lehne mich zurück und schließe die Augen. Ich lasse die letzten Jagdtage gedanklich nochmals Revue passieren. Wie in einem Film stehen sie erneut vor mir, die vielen Hirsche, die ich in dieser Brunft geschont habe. Schon mein verstorbener Vater lebte immer nach dem Motto: „Wenn Diana einem die Hand reicht, dann soll man sie auch nehmen.“ Heute habe ich zugegriffen. Nachdem der Schaufler versorgt und verblasen wurde, ist meine Freude und Dankbarkeit auch Stunden später bei einem Schnaps im Wohnzimmer mit meiner Familie immer noch grenzenlos.

Das Fazit zu guter Letzt

Jagen auf landwirtschaftlichen Flächen zwischen den in den Wäldern liegenden Brunftplätzen ist eine spannende, nicht planbare Herausforderung, der sich der Damwildjäger im Oktober eines jeden Jahres von Neuem stellen kann. Hoffentlich haben Sie, liebe Leser, als angrenzende Nachbarn zwischen den Brunftplätzen zukünftig gleiches Waidmannsheil. Ich jedenfalls freue mich schon heute wieder auf unvergessliche Jagderlebnisse während der in wenigen Wochen beginnenden Damwildbrunft.

Dieser Artikel erschien zuerst in JÄGER 10/2017. Hier geht es zur aktuellen Ausgabe!