Im Frühling auf Rehbockjagd – Kritik aus der Praxis

Unser Autor Frank Heil ist seit mehr als einem halben Jahrhundert jagdlich aktiv und nimmt für uns die Jagd im Frühling auf Böcke ab April unter die Lupe.

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Auch der Schwarze darf in Niedersachsen ab dem 1. April im Frühling bejagt werden. Freude macht solch ein Bock in Bast noch nicht. (Foto: Pixabay)

Der Rehbock darf in vielen Teilen der Bundesrepublik schon ab April im Frühling bejagt werden. Vor mehr als 50 Jahren, wartete ich sehnsüchtig auf den 15. Mai, um endlich auf den Rehbock waidwerken zu dürfen. Ein paar Jahre später legte der Gesetzgeber den 1. Mai für „Feuer frei“ fest, und vor einigen Jahren bestimmte der Freistaat Sachsen den 16. April als Jagdbeginn für Bock und Schmalreh. Anschließend scherte nach Hessen auch Niedersachsen aus und gestattet den Jägern bereits ab dem 1. April, Bock und Schmalreh nachzustellen. Hier gibt es eine Übersicht, zu welchem Zeitpunkt welches Bundesland startet. Nun hat jedes Revier seine Eigenheiten. In dem einen gibt es an Hochwild nur Sauen, in dem anderen auch Rot- und/oder Dam- und/oder Muffelwild, im Gebirge auch Gamswild. Das eine Revier umfasst große, kaum von Straßen durchzogene Wälder. Das andere stadtnahe Revier ist durchfurcht von einem vielbefahrenen Straßennetz.

Frühling in den Revieren

In meinen beiden straßen- und gleisdurchfurchten Pachtrevieren sind nur zwei Schalenwildarten Standwild: Reh- und Schwarzwild. Der beträchtlichen Wildschäden und der drohenden Afrikanischen Schweinepest halber gilt den Sauen ständiges Augenmerk. Vor allem im Frühling ist hier hartes Durchgreifen gefragt. Die Rehwildstrecke erledigen zu gut einem Drittel Auto und Bahn. Deswegen liegt mir daran, den geplanten Abschuss so früh wie möglich zu packen. Besonders, wenn es sich um kapitale oder abnorme Böcke handelt. Es besteht Interesse, sie mit Beginn der Jagdzeit und damit vor ihrem Verkehrstod zu erlegen. Das gelang in den vergangenen Jahren im April zweimal.

Bessere Sichtbarkeit im Frühling

Aber grundsätzlich gewinnt überall dort, wo ohne Gatter aufgeforstet werden soll oder muss, der frühe Jagdbeginn des Verbisses. Dabei spielt hinein, dass im April auf den waldnahen Feldern die Vegetation noch bejagungsfreundlich niedrig ist und im Laubwald die sich erst entwickelnden Blätter die Sicht kaum beeinträchtigen. Und im frühlingshaften April lassen sich Schmalrehe weitaus sicherer ansprechen als Ende Mai.

Geringe Mankos

Wenn ich von meinen Erfahrungen mit dem 16. April, gegebenenfalls auch mit dem 1. April, als Jagdbeginn ausgehe, sehe ich in diesem Termin keine wesentlichen Nachteile, sei es biologisch oder jagdethisch. Allerdings stört gelegentlich beim Versorgen des Stücks die ruppige, haarlassende Decke. Außerdem ist das zwar gefegte, jedoch nicht voll gefärbte Gehörn ästhetisch ein Manko, das sich jedoch mit etwas Geschick beheben lässt.

Wildbeunruhigung?

Inwieweit in Hochwildrevieren die mit zusätzlichen Beunruhigungen verbundene vorgezogene Jagd auf Bock und Schmalreh sich negativ auf das Wohlbefinden von Rot-, Dam- und Muffelwild auswirkt, wage ich nicht zu beurteilen. Aber zumindest dort, wo der Wildschäden und der Afrikanischen Schweinepest wegen intensiv auf Sauen gejagt werden muss, dürfte dieses Argument gegen den vorgezogenen Jagdbeginn auf Bock und Schmalreh als negativen Einfluss an Bedeutung verlieren. Im Freistaat Sachsen genießen die Sauen keine Schonzeit, dürfen – außer den Mutterschutz genießenden führen-
den Bachen – rund um die Uhr mit modernsten Mitteln und Methoden bejagt werden. Das wirkt sich selbstverständlich negativ auf das Ruhebedürfnis jeglichen Wildes, vor allem des anderen Schalenwilds aus. Da bringt auch die Intervalljagd nur eine gewisse Erleichterung. Im Vergleich zur Beunruhigung durch die Sauenbejagung bringt die vorgezogene Jagd auf Schmalreh und Bock in aller Regel wesentlich weniger Unruhe ins Revier, zumal sie nur bei Tageslicht oder in der Dämmerung stattfindet.

Kann, muss nicht

Eines steht fest: Gibt der Gesetzgeber dem Jäger die Möglichkeit im Frühling, bereits im April auf den Bock und das Schmalreh zu waidwerken, heißt das nicht, dass er diese Freiheit nutzen muss. Er kann nach wie vor mit dem Erlegen des Bocks warten, bis dieser mit roter Decke prangt, oder sogar den wesentlichen Bockabschuss erst in der Blattzeit, die oft spannende Erlebnisse bietet, durchführen. Aber wenn doch einmal die Notwendigkeit besteht, aus guten Gründen bereits im April aktiv zu werden, kann das geschehen, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen.

Mein Fazit

Ich begrüße auf der Basis eigener Erfahrungen, die Jagdzeit auf Bock und Schmalreh bereits im frühlingshaften April, sei es der 1. oder der 16., beginnen zu lassen. Diese Neuregelungen können durchaus als Vertrauensbeweis der jeweiligen Bundesland-Gesetzgeber gegenüber den Jägern betrachtet werden, eigenverantwortlich sowie sach- und revierbezogen zweckdienliche Entscheidungen treffen zu können.