Schwarzwild als Beutegreifer – Viele Sauen sind des Hasen Tod

Schwarzwild frisst alles. also auch Fleisch. Welchen Einfluss sie auf andere Tierpopulationen haben, schaut sich Prof. Dr. Hans-Dieter Pfannenstiel an.

Aufmacher_Michael Breuer

Schwarzkittel: im Hasenrevier. Aus Artenschutzgründen wäre es sinnvoll, wenn nicht immer mehr unserer Reviere von den Sauen erobert werden würden. Wir Jäger haben es in der Hand, dem Einhalt zu gebieten. Foto: Michael Breuer

Als Allesfresser versteht sich, dass Sauen auch Beutegreifer sind und tierischen Fraß aufnehmen. So stellt sich die Frage, welchen Einfluss sie auf andere Tierarten, vor allem auf seltene, haben. Dem ist Prof. Dr. Hans-Dieter Pfannenstiel mal nachgegangen.

Unsere Agrarlandschaft wurde in den letzten 100 Jahren durch Technisierung und Intensivierung der Landwirtschaft rasch verändert. Auch natürlich Wälder gibt es fast nicht mehr. Bevor manche Arten sich anpassen konnten, verschwanden sie einfach. Durch spontane genetische Veränderungen (Mutationen) erfolgende Anpassung von Arten an so rasch geänderte Umweltbedingungen dauern einfach zu lange. Und wir müssen mit dem Aussterben vieler weiterer Arten rechnen.

Es gibt aber durchaus auch Gewinner in der Kulturlandschaft, nämlich solche Arten, die bereits bestens angepasst sind und mit den Bedingungen gut zurechtkommen. Paradebeispiel ist neben dem Fuchs das Schwarzwild. In den letzten 100 Jahren haben sich die Sauenstrecken in Deutschland etwa um den Faktor 20 erhöht. Kiebitz und Feldlerche hingegen, um nur zwei der vielen Beispiele zu nennen, sind klare Verlierer der Kulturlandschaft, insbesondere der modernen Intensivlandwirtschaft.

Gegensätzliche Strecken

Populationen von Tierarten werden nicht nur von der leblosen Umwelt und der Ausstattung ihrer Lebensräume beeinflusst, sondern haben auch untereinander intensive Wechselbeziehungen. In Deutschland ist seit Jahrzehnten ein Niedergang der Fasanen-, Rebhuhn- und Hasenstrecken zu beobachten, während Sauenstrecken anscheinend unaufhaltsam weiter ansteigen. Die schon lange merkbare Erwärmung führte zu einer immer dichteren Abfolge von Vollmastjahren im Wald, und die Landwirtschaft veränderte sich rasant.

Für Sauen entstand ein Schlaraffenland, wohingegen viele Niederwildarten ihren Lebensraum verloren. Das zeitliche Zusammentreffen der Streckenentwicklung lässt vermuten, zwischen dem Anstieg der Sauenbestände und dem Verlust von Niederwild bestehe ein Kausalzusammenhang. Die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen deuten in diese Richtung.

Keiler frisst verludertes Reh.

Keiler: beim Fressen von Rehwild. Ob Opfer des Verkehrs oder der Rest eines Wolfrisses, solange frisch, gern genommener Sauenfraß. Foto: Dieter Hopf

Unabdingbares Kurzhalten

Klar ist, dass der fast verzweifelte Kampf um den Erhalt von Großtrappe und Auerwild, selbst von ernsthaften Artenschützern schon als Sterbehilfe bezeichnet, nur dann Erfolg haben kann, wenn Beutegreifer wie der Fuchs, der absoluter Gewinner der Kulturlandschaft ist, in den betreffenden Regionen kurzgehalten werden, obgleich manche Scheuklappen-Naturschützer diesen Zusammenhang hartnäckig leugnen.

Gelegenverluste durch Sauen

Welche Rolle spielt nun das Schwarzwild in diesem Zusammenhang? Gelegeverluste durch Landwirtschaft, Trittschäden und Beutegreifer können bis über 60 Prozent betragen. In Brandenburg waren bei der Wiesenweihe Sauen für ein Viertel der Gelegeverluste verantwortlich, bei der Feldlerche zu einem Fünftel. Aus Thüringen ist bekannt, dass ein Drittel der Verluste an Auerwildgelegen auf das Konto der Sauen geht. Und die Ergebnisse zeigen deutlich die Abhängigkeit solcher Gelegeverluste von der Dichte der Sauen in dem betreffenden Gebiet.

Die absoluten Verlustzahlen durch Schwarzwild werden bei häufig vorkommenden Bodenbrütern noch nicht ernst genommen. Wenn es sich aber, wie zum Beispiel beim Auerwild oder bei der Großtrappe, um inzwischen stark bedrohte Arten handelt, dann ist jedes durch Sauen zerstörte Gelege ein ernsthafter Verlust.

Bache mit Hasen im Maul und Frischling

Bache: mit Althasen im Gebrech. Dass sie diesen erbeutet hat, eher unwahrscheinlich. Anders ist es bei wenige Tage alten Setzhasen. Foto: Karl-Heinz Volkmar

Weiterer tierischer Fraß

Untersuchungen des Weidsackinhalts zeigen immer wieder, dass Sauen zwar vorwiegend pflanzlichen Fraß aufnehmen, stets aber findet sich in 25 bis 50 Prozent der untersuchten Mägen auch Inhalt tierischen Ursprungs. Vom Volumen her sind das meist unter zehn Prozent und von der Trockenmasse her drei Prozent. Insektenlarven und Regenwürmer sind regelmäßig in Mägen von Sauen zu finden und spielen bei deren Ernährung anscheinend eine wichtige Rolle.

Davon zeugen immer wieder die von Sauen umgedrehten Wiesen. Frage ist, nehmen die Beutegreifer auch Fraß anderen tierischen Ursprungs auf, und wie kommen sie daran? Sporadische Magenuntersuchungen alleine sind zur Beantwortung dieser Fragen nicht geeignet. In der Brut- und Aufzuchtzeit des Niederwildes fallen relativ wenige Mägen an, da zu dieser Zeit die Sauen meist nicht oder nur sporadisch bejagt werden. Außerdem wird Fleisch so rasch verdaut, dass seine Herkunft häufig nicht mehr eindeutig feststellbar ist.

Bache mit Überläufern.

Bache mit Überläufern: bei der Fraßsuche auf einer Wiese. Und Gelege von Bodenbrütern, ob gesucht oder zufällig entdeckt, sind Teil des Fraßes. Foto: Karl-Heinz Volkmar

Auslands-Untersuchungen

In Australien und den USA können wilde Schweine sich tatsächlich als bedeutende Beutegreifer betätigen. Allerdings handelt es sich dort nicht um Wildschweine, sondern um verwilderte Hausschweine, die über viele Generationen wieder verwildert sind. Eine australische Untersuchung zeigte, wie stark der Verlust an neugeborenen Lämmern von der Dichte dieser verwilderten Hausschweine abhängt.

Bis zu einem Drittel der Lämmer wurden bei Dichten von knapp sechs Sauen auf 100 Hektar erbeutet. Bei diesen Untersuchungen wurden zum Vergleich Flächen gezäunt, in denen kein Verlust von Lämmern durch Sauen zu beobachten war. Damit liegen in Australien die Verluste an Lämmern durch Schweine deutlich höher als diejenigen durch Füchse (bis zu acht Prozent). In den USA hatten Untersuchungen zum Verlust von Kälbern bei Weißwedelhirschen durch Sauen ganz ähnliche Ergebnisse.

Man darf getrost davon ausgehen, dass auch bei uns Sauen Kitze, Kälber und verlassene Wolfsrisse nicht verschmähen. Bei uns dürfte die Schwarzwilddichte des Grundbestands allerdings „nur“ bei etwa zwei Stück je 100 Hektar Jagdfläche liegen.

Rotte Sauen reißen anderes Schwein

Rotte Sauen: beim Reißen eines kleinen Artgenossen. Wenn Schwarzwild nicht einmal davor zurückschreckt, vor welchem tierischen Fraß dann? Foto: Wolfgang Radenbach

Appell an Jägerschaft

Wir Jägern haben für den Erhalt der Artenvielfalt hohe Verantwortung. Die Absenkung der Schwarzwildbestände mit allen Mitteln der waidgerechten Jagd muss endlich ernst genommen werden. Auch unter dem Gesichtspunkt der Seuchenhygiene ist die rasche Reduktion wichtig, denn die Afrikanische Schweinepest ist nur noch wenige Kilometer von unserer Grenze zu Polen entfernt.