Energiewende in Deutschland – ist der Rotmilan in Gefahr?

Immer häufiger steht der Schutz des Rotmilans im Interessenskonflikt mit dem Ausbau der Windkraft. Doch wie gefährdet und wie schützenswert ist der Rotmilan überhaupt? Und stellen Windenergieanlagen wirklich eine so große Gefahr für ihn da?

milan-2156046_1920

Der rötlich-braune, mittelgroße Raubvogel mit dem charakteristischen tief gegabelten Schwanz ist eine Flaggschiff des deutschen Vogelschutzes. Immer häufiger steht sein Schutz im Interessenskonflikt mit dem Ausbau der Windkraft. Doch wie gefährdet und wie schützenswert ist der Rotmilan überhaupt? Und stellen Windenergieanlagen wirklich eine so große Gefahr für ihn da?

Deutschlands heimliches Wappentier

Mit etwa 15.000 Brutpaaren leben mehr als die Hälfte aller weltweit vorkommenden Rotmilane in Deutschland. Die meisten Exemplare ziehen im Herbst in den Südwesten nach Frankreich, Spanien oder Portugal. Zunehmend bleibt der Rotmilan aber ganzjährig in Deutschland, wo er in den durch den Klimawandel bedingten milden Wintern ausreichend Nahrung findet. Seit den 1980er Jahren hat der Bestand des Rotmilans um etwa ein Drittel abgenommen, sodass er mittlerweile auf der Vorwarnliste steht. Hauptursache für den Rückgang ist die Zerstörung seines Lebensraumes. Der Rotmilan bevorzugt strukturreiche, landwirtschaftlich genutzte Kulturlandschaften und ernährt sich von kleinen Säugetieren, anderen Vögeln und Aas. Daher leidet er vor allem unter der Industrialisierung der Landwirtschaft und dem massiven Pestizideinsatz. Besonders starke Rückgänge wurden daher auch im landwirtschaftlich geprägten nordostdeutschen Tiefland verzeichnet.

Windkraft nur Platz 7 der häufigsten Todesursachen

Beim europaweiten Forschungsprojekt Life-Eurokite wird die Todesursache verunglückter Rotmilane genauer unter die Lupe genommen. Bei bisher etwa 600 untersuchten Rotmilanen ist die am häufigsten festgestellte Todesursache Vergiftung. Dazu zählen sowohl die illegale direkte Vergiftung als auch indirekte Vergiftung durch Pestizide und Sekundärvergiftung durch den Verzehr vergifteter Nagetiere. Des Weiteren gehören illegaler Abschuss, Stromschlag und Kollision mit Straßen- und Schienenverkehr zu den am häufigsten auftretenden Todesursachen. Windenenergieanlagen folgen in dieser Auflistung erst auf Platz 7.  Anzumerken ist dabei allerdings, dass die meisten Hauptmortalitätsgründe wie illegale Tötung durch direkte Vergiftung oder Abschuss und Stromschlag an Elektroleitungen hauptsächlich in anderen europäischen Ländern relevant sind und in Deutschland eine untergeordnete Rolle spielen.

Tatsächliche Relevanz der Windenergieanlagen in Deutschland

Die Fachgruppe Rotmilan beziffert die in Deutschland durch Windenergieanlagen getöteten adulten Rotmilane insgesamt auf 16,3% aller Totfunde. Die Vogelschutzwarte Brandenburg liefert sogar eine konkrete Schlagopferanzahl. Diese liegt deutschlandweit in dem Zeitraum zwischen 2002 und 2022 bei 694 Rotmilanen. Hinzu kommt eine Studie des Dachverbands deutscher Avifaunisten (DDA) von 2019, bei der eine negative Korrelation der Windradanzahl und der Bestandesentwicklung des Rotmilans festgestellt werden konnte. Je mehr Windräder auf einer Fläche gebaut wurden, desto stärker ging die Population dort zurück.

Klimaschutz vs. Artenschutz

Auf der einen Seite ist die Windkraft, auch wenn es teilweise öffentlich so propagiert wird, eine insgesamt keineswegs zu vernachlässigende Mortalitätsursache beim Rotmilan. Auf der anderen Seite sind die Opferzahlen nicht hoch genug, um den Bestand nur durch den Ausbau der Windenergie ernsthaft gefährden zu können. Hinzu kommt der Aspekt, dass bei jeder Planung und Genehmigung neuer Windräder die Gefährdung von Greifvögeln genaustens untersucht und beachtet wird. Somit ist nicht die Windkraft, sondern vielmehr die Intensivierung der Landwirtschaft hauptursächlich für den Bestandesrückgang des Rotmilans in den letzten Jahrzehnten.
Der Schutz des Rotmilans und der Ausbau der Windkraft als erneuerbare Energie sind ein Paradebeispiel eines Konfliktes zwischen Arten- und Klimaschutz, der in diesem Fall allerdings nur bedingt sinnvoll ausgetragen werden kann. Im Endeffekt ist der Rotmilan nämlich von den Folgen des Klimawandels deutlich gefährdeter als durch den Bau neuer Windenergieanlagen.