Wind und Wild – Welche Rolle Wind bei der Bewegungsjagd spielt

Rotwild

Das Rudel flieht niemals kopflos – sei es beschossen, getrieben oder von Hunden gejagt. Foto: Wolfgang Radenbach

Dass der Wind auf Bewegungsjagden eine entscheidende Rolle spielt, ist bekannt. Doch welche? Wie reagieren Rot-, Dam-, Schwarz- und Rehwild auf welchen Wind? Ihr JÄGER hat vier erfolgreiche Jagdleiter gebeten – ein jeder zu seiner Hauptwildart –, seine Erfahrungen darzustellen.

Spätestens wenn wir aus der Haustür treten und uns auf den Weg in Richtung Revier machen wollen, geht der Blick zum Wetterhahn, zum nächsten Fahnenmast oder auch in die belaubten Kronen der umstehenden Bäume. Woher kommt der Wind? Die Antwort auf diese Frage hat großen Einfluss auf das bevorstehende jagdliche Vorhaben. Schließlich orientieren sich alle Schalenwildarten wegen des Feindvermeidungsverhalten an dem Wind, da der Geruchssinn die am stärksten ausgeprägte sensorische Fähigkeit ist. Lichter und Lauscher mögen irren, ein Windfang bzw. Wurf nicht. Der Geruchssinn bleibt stets unbestechlich, der Windfang bzw. Wurf verliert nie seine Aufmerksamkeit, nicht im Schlaf, nicht während der Paarungszeit – noch lässt im Alter seine Leistung nach.

Damwild und Wind

Je nach Jahreszeit stehen sowohl Hirsche als auch Kahlwild in Rudeln zusammen. Innerhalb dieser gibt es Stücke, welche das Rudel anführen. Beim Kahlwild ist das viel offensichtlicher als bei den Geweihträgern. Neben dem sehr guten Geruchssinn kann Damwild auch äußerst gut äugen, und erfahrene Tiere können regelrecht erkennen, ob ein Hochsitz besetzt ist oder nicht. Nichtsdestotrotz bleiben der Wind sowie die von ihm beförderte Wittrung für das Damwild das Feinderkennungsmittel Nr. 1.

Damwild läuft über grünes Feld.

Damwild orientiert sich zu Jagdbeginn nach dem Wind. Hat das Leittier die Lage erkannt, greift es in der Regel auf seinen Erfahrungsschatz zurück – ohne den Wind zu beachten. Foto: Burkhard Winsmann-Steins

Ein ähnliches Verhalten zeigt sich auf Bewegungsjagden. Erfahrene Leittiere kennen normalerweise die Treiben und die Schützenstände – deshalb sollten diese öfter umgestellt werden. Wenn eine Treiberkette mit dem Wind in die Einstände geht, können die Stücke die genaue Position des einzelnen Unruhestifters erkennen und gehen oft entgegen der Triebrichtung aus dem Treiben. Ein solches Verhalten zeigen auch schon abgesprengte einzelne Kälber. Bei einer reinen Damwildjagd sind kleine Treibergruppen und wenige kurzläufige, fährtenlaute Hunde das Mittel der Wahl. Beim Anstellen ist darauf zu achten, dass die Stände, deren Wind in die vermuteten Einstände weht, zum Schluss besetzt werden und der äußere Kreis zuerst geschlossen wird.

Zum Schluss werden die Jäger im Wind bzw. im Kern des Treibens angestellt. Damwild orientiert sich zu Beginn der Jagd nach dem Wind. Wenn aber das Leittier die Situation erkannt hat, greift es in der Regel auf seinen Erfahrungsschatz zurück und versucht, sein Rudel ohne Beachtung des Winds aus der Gefahrenzone zu führen. Der Wind spielt erst bei gesprengten Rudeln wieder eine Rolle, wenn einzelne Stücke gezielt den Anschluss suchen. Jonas L. Schütt

Immer gegen den Wind!

Kein Witterungseinfluss ist bei der Jagd auf Rotwild so entscheidend wie der Wind. Bei Drückjagden beginnt das Rotwild oft schon beim Anstellen der ersten Schützen, über Fernwechsel in sicherere Areale zu fliehen. Wird das Rotwild zu Beginn des Treibens auf die Unruhe aufmerksam, rudelt es sich zusammen. Nun versucht es, Wind von Gefahrenquellen zu bekommen, um sich eine Übersicht zu verschaffen und somit eine sichere Fluchtmöglichkeit zu finden. Herrscht kräftiger Wind, ist das Wild nur schwer zu mobilisieren und verharrt in den Dickungen. Das Rudel flieht niemals kopflos – sei es beschossen, getrieben oder von Hunden gejagt.

Zwei Rehe springen durch verschneites Dickicht.

Wohin Rehwild bei Druck zieht bzw. flüchtet, dazu kann man keine Regel aufstellen. Foto: Karl-Heinz Volkmar

Wird Rotwild bei der Drückjagd hochgemacht, flieht es unverzüglich stets gegen den Wind auf seinen ihm bekannten Wechseln. Deshalb treiben wir gegen den Wind. Andernfalls umschlägt das Wild die Treiber und bleibt in der Dickung, welche es nie mit dem Wind verlässt. Die Schützenstände sollten nie am Einstand liegen, sondern in einiger Entfernung an gut belaufenen Wechseln. Aber keinesfalls auf oder zu nahe an diesen, sondern in einiger Entfernung, um gutes Ansprechen zu ermöglichen und das Wechselverhalten des Wildes nicht zu stören. Rotwild verhofft oft kurze Zeit nach dem Verlassen der Deckung und wechselt in eine langsamere Gangart.

Sollen zwei aneinanderliegende Treiben durchgeführt werden, so ist mit dem Wind zugewandten Treiben zu beginnen. Andernfalls würde das Rotwild in das nächste Treiben flüchten und dieses zu sehr beunruhigen. Einmal in Bewegung gebracht, flieht es oft über weite Strecken. Deshalb sollten niederläufige Hunde eingesetzt werden, um das Rotwild nicht unnötig weit zu verfolgen. Optimale Bedingungen einer Drückjagd stellt trockenes Wetter mit wenig Wind dar. Roman von Fürstenberg

Mal so, Mal so!

Sauen gehen bei Druck mitnichten immer gegen den Wind. Wir selbst haben erfahren müssen, dass sich Rotten innerhalb ihres vertrauten Einstands bei Drückjagden häufiger mit als gegen den Wind bewegt haben. Zufall? Ortskenntnisse und vertraute Wechsel ließen sie ganz gezielt den Versuch starten, Treibern und Hunden durch Ausnutzung bekannter Deckung zu entgehen. Interessante Beobachtungen machten wir bei revierübergreifenden Jagden: In weniger vertrautem Terrain schienen sich die Sauen wieder mehr auf ihren Geruchssinn zu verlassen. Meine Nachbarn berichteten nicht nur einmal, dass sich in ihrem Beritt die Rotten in den Wind drehten, um dann die nächsten Verstecke anzupeilen. Wir haben das in unserem Bereich ebenso erlebt. Fremde Rotten agierten häufiger mehr gegen den Wind, um sich besser orientieren zu können. Ein Gesetz war und ist das aber nicht.

Zwei Wildschweine stapfen durch verschneiten Wald.

Sauen gehen bei Druck mitnichten immer gegen den Wind. Foto: Reiner Bernhardt

Auch für Maisjagden ist kein Regelwerk aufzustellen. Waren die Sauen mit der Umgebung vertraut, wechselten sie häufig dort vor der Meute aus dem Mais, wo sich als- bald wieder Deckung finden ließ. Bei der letzten Maisjagd, an der ich teilnahm, verließen die Sauen entlang zweier Hecken den Schlag, in beiden Fällen mit dem Wind. Ihnen schien der Aspekt Deckung wichtiger zu sein als die Informationen, die sie aus dem Wind hätten ziehen können. Und ihre Strategie ging auf, sie entkamen dem Spuk unbeschossen. Mit oder gegen den Wind bei (hohem) Druck – ich komme zu keinem Ergebnis. Peter Burkhardt

Rehwild

Am windanfälligsten ist Rehwild in nervösem Zustand, vor allem führende Geißen. Auf Bewegungsjagden erlebt man die unterschiedlichsten Reaktionen, was die Empfindlichkeit gegenüber dem Wind betrifft. Rehwild entscheidet sich je nach Situation für Deckung oder Flucht. Was Rehwild gar nicht mag, sind Schleichfeinde. Soll heißen, dass sie auf einerseits lärmende und visuell auffallende Menschen oft nicht reagieren, aber anderseits ziemlich kopflos flüchten, wenn jemand in geduckter Haltung und mit gelegentlichen schnellen Bewegungen sich nähert. Offenbar handelt es sich da- bei um eine tradierte Abwehrreaktion gegenüber früheren und heute öfter als gedacht (wieder) präsenten Fressfeinden. Kenner machen sich diese spezifische Reaktion zunutze, sie weisen die Treiber bei großflächigen Rehwildjagden an, nicht laut lärmend durch den Bestand zu stapfen, sondern sich leise pirschend mit kleinen Sprungeinlagen im Zickzack fortzubewegen.

Dieses macht Rehwild nervös und veranlasst es zur Bewegung, oft völlig unabhängig vom Wind. Wohin Rehwild bei Druck zieht bzw. flüchtet, dazu kann man keine Regel aufstellen, denn als ein Randlinienbewohner und Ducker flüchtet Rehwild oft kopflos, vor allem wenn es sehr nah aufgetan wird. Dies wird dadurch unterstützt, dass Rehwild nicht gut äugt bzw. sich auf die kleinste Deckung verlässt. Lediglich auf große Distanz, etwa im Altholz oder auf Freiflächen hochgemacht, gehen Rehe etwas überlegter vor und flüchten in den Wind. Da dieser jedoch unstet sein kann und in bewaldeten oder gemischten Wald-/Feld-Gebieten stark wechselt, sollte diese Feststellung beileibe nicht in Stein gemeißelt werden. Sehr sicher jedoch ist, dass sich Rehwild territorialer verhält, als viele Jäger glauben. Soll heißen, dass Rehe nach Störungen gerne zurückkehren, oft genug in Form des vorher gesprengten, mittlerweile wieder geschlossenen Sozialverbands, und nun erlegt werden können. Man muss nur Geduld aufbringen. Werner Reb