Insektensterben – Unbeachteter Schwund

JÄGER-Redakteurin Dr. Nina Krüger hat sich mit der Frage beschäftigt, wo die lebenswichtige tierische Äsung unserer Hühnerküken geblieben ist.

Ist der Klimawandel Schuld am Insektensterben?

Einige Forscher glauben, der Klimawandel spielt nur eine untergeordnete Rolle für den Verlust der Artenvielfalt bei Insekten hierzulande, da durch die veränderten Bedingungen neue Arten einen Lebensraum bei uns finden. Wärmeres Klima, so glauben Forscher, sollte sich eher günstig auf Insekten auswirken. Andere Wissenschaftler hingegen glauben, dass sich durch die Erderwärmung ein anderes Mikroklima, vor allem bodennah entwickelt haben könnte, an das viele Arten nicht angepasst seien.

Freie Sicht aus dem Auto - im Sommer eigentlich untypisch ©Pixabay

Freie Sicht aus dem Auto – im Sommer eigentlich untypisch ©Pixabay

INSEKTIZIDE SCHULD? 

Für den Insektenschwund der vergangenen Jahre könnten Neonicotinoide, eine Gruppe von Insektiziden, eine Rolle spielen. Aktuell gilt in der Europäischen Union ein Moratorium (Aussetzung) für Neonicotinoide, die in der Landwirtschaft unter anderem als Beizmittel genutzt werden. Bei Neonicotinoiden handelt es sich um synthetisch, also künstlich hergestellte Fraß- und Kontaktgifte, die eine Weiterleitung von Nervenreizen verhindern, in dem sie an spezifische Rezeptoren binden. Dadurch kommt es zu einem Dauerreiz, der zu Krämpfen und schließlich zum Tod der Schädlinge führt. Die Wirkung von Neonicotinoiden auf das Nervensystem von Insekten ist weit stärker als auf die Nerven von Wirbeltieren. Daher wirken sie selektiv auf wirbellose Tiere und sollen für Vögel und Säugetiere, einschließlich dem Menschen, keine Gefahr darstellen.

Neonicotinoide werden in Pflanzen nur langsam abgebaut. Sie können über die Wurzeln aufgenommen und bis in die Blätter, Blüten und Pollen transportiert werden. Dadurch bieten sie Schutz vor Fraß- und Saugschäden. In Wein- und Zitruspflanzen hält die Wirkung mehrere Monate vor, Bäume können durch eine Injektion sogar mehrere Jahre geschützt werden. Wissenschaftler monieren allerdings, dass die Pflanzenschutzmittel nicht nur die Schädlinge treffen, sondern auch Nützlinge wie Bienen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit stellte fest, dass mindestens drei Neonicotinoide – Clothianidin, Imidacloprid sowie Thiamethoxam – eine Gefahr für Bienen darstellen können.

©Pixabay

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Thema aufgeräumte Landschaft

Pestizide sind aber nicht die einzigen Probleme, mit denen es Insekten heutzutage zu tun haben. Denn in ausgeräumten Kulturlandschaften haben Insekten wenig Alternativen, als sich auf Nutzpflanzen zu konzentrieren. Auch Überdüngung und eine häufige Mahd sind ein Problem, glauben Forscher. Gerade der Verlust kleinräumiger Strukturen mit abwechslungsreichem Bewuchs habe einen Einfluss auf die Population von Bestäuber, die schließlich wieder einen erheblichen Einfluss auf Wild- und Nutzpflanzen sowie auf die Nahrungsmittelproduktion haben. Denn ein Verlust des Artenreichtums bei Insekten bedeutet schließlich auch einen Verlust für die Arten, die auf sie angewiesen sind – auf beiden Seiten der Nahrungskette.

Die Stickstoff-Anreicherung in den Böden durch Überdüngung verschlimmert das Ganze nur noch, denn sie lässt die Pflanzenwelt weiter verarmen. Schnellwüchsige Pflanzen wie Gräser lassen keinen Platz mehr für Kräuter und Blühpflanzen, von denen sich viele Insekten ernähren müssen.

Was kann man gegen das Insektensterben tun?

Die Lösung für den Artenschutz bei Insekten findet sich in den gleichen Maßnahmen, die wir auch für andere Wildtiere ergreifen. Denn der Erhalt von abwechslungsreichen Landschaften, das Pflanzen von Randstreifen, Hecken, Wildäckern oder Bienenweiden bietet auch Insekten Nahrung und Lebensraum, wenn sie nicht durch Spritzmittel beeinflusst werden. Auch im eigenen Garten sollte man auf Insektizide verzichten, denn 500 Tonnen solcher Substanzen gelangen allein durch Hobbygärtner in die Umwelt.

Die Erforschung von Insekten und alternativen Pflanzenschutzmethoden wäre zum Erhalt der Biodiversität ebenfalls sinnvoller, als mit der Neubestückung der Nahrungskette von oben zu beginnen. Auch Häuser baut man schließlich vom Fundament an, nicht vom Dach.