Patronen für Rehwild: Welche Kaliber sind am besten geeignet?

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Nicht immer ist ein optimaler Treffersitz auch Garant für wenig Wildbretentwertung. © Sebastian Grell

Manche Laborierungen richten im Wildkörper übermäßig viel Schaden an. Woran das liegt und welche Patronen für Rehwild sich am besten eignet, hat Dr. Carl Gremse untersucht.

Das Rehwild (Capreolus capreolus) ist die kleinste in Deutschland vorkommende Schalenwildart. Gleichzeitig flächig verbreitet, kann Rehwild auf friesischen Inseln ebenso erlegen, wie in urban geprägten Stadtrandlagen. Außerdem in landwirtschaftlich genutzten Feldrevieren, ausgedehnten Waldgebieten, im Mittelgebirge, Weinbaugebieten. Kurz und gut: Rehwild kann und wird in Deutschland wohl jeder Jäger bejagen können.

Vielfältige Jagdumstände: Patronen für Rehwild

So vielfältig wie die Revierverhältnisse sind auch die übrigen Umstände, unter denen Rehwild bejagt werden kann. Vielerorts beginnt die gesetzliche Jagdzeit auf Böcke und Schmalrehe im April. Rehwild kann dann im Jahresverlauf bis in den Januar, mancherorts bis in den Februar hinein, bejagt werden. Mit der Jahreszeit und Vegetation wählt der Jäger oft unterschiedliche Jagdmethoden. Er passt sich damit der Vegetation und dem Verhalten des Rehwildes an.

Die beschriebene Vielfältigkeit macht einen Teil des Reizes der Rehwildbejagung aus. Es wird auch viel darüber gestritten, ob ein Rehbock nun vor dem 1. Mai erlegt werden sollte oder noch nach dem 15. Oktober. Einigkeit besteht in der Regel bei der Frage der Verwertung des Fleisches. Wildbret vom Reh ist ein hervorragendes Qualitätsprodukt. Es ist reich an Eiweiß, guten Fettsäuren und überaus wohlschmeckend vom Grill, sogar als Wurst oder als Braten.

Um ein hervorragendes Qualitätsprodukt zu erzeugen und auch möglichst dessen Ausbeute pro Stück Rehwild zu maximieren, kommt es dabei ganz auf das jagdhandwerkliche Können an. Darum schauen wir uns die Einflussfaktoren auf die Wildbretqualität einmal näher an.

Welche Rolle spielt der Schuss?

Wildbret

Bereits die Einschussseite weist starke Einblutungen auf, obwohl das Blatt nicht getroffen wurde. © Dr. Carl Gremse

Dass nur gesundes Wild ein einwandfreies Wildbret liefert, wird hier als jagdpraktische Binse vorausgesetzt. Wer optimales Wildbret zu liefern sucht, muss bereits vor dem Schuss bis zur Kühlung viel tun, um dies sicherzustellen. Das genaue Ansprechen durch entsprechende Optik dient nicht nur der Sicherheit der Schussabgabe und dem Einhalten der Jagd- und Schonzeiten sowie gegebenenfalls vorliegender Einzelfreigaben. Es bietet darüberhinaus die Möglichkeit der Wahl des für die Wildbretgewinnung besonders geeigneten Stückes sowie des zu wählenden und zu erreichenden Treffersitzes.

Für den Rahmen dieses Artikels soll feststehen, dass der anzustrebende Schuss die Vitalorgane Herz/Lunge durchschlägt, ohne die Schultermuskulatur (Blatt) einschussseitig wie ausschussseitig zu zerstören sowie das Zwerchfell, Leber/Pansen zu beschädigen. Praktiker wissen, dass dies bereits ein sehr hochgestecktes Ziel ist, da Rehwild sehr klein, leicht und zart gebaut ist. Außerdem bringen die in der Regel jagdlich geführten Patronenkaliber für diese Wildart viel ballistischen Puffer mit.

Schwer umsetzbar: Patronen für Rehwild

Oft wird mindestens ein Blatt beschädigt sein oder eben doch das Zwerchfell und die Leber zerstört. Dies wird einerseits daran liegen, dass der oben beschriebene, perfekte Schuss, ohne Zerstoßung mindestens eines Blattes jagdlich schwer umzusetzen ist. Man schwankt oft – hier sprachbildlich gemeint – hin und her zwischen einem Abkommen zu weit vorn, mit dem Risiko der Zerstoßung eines Blattes oder zu weit hinten, mit dem Risiko eines Streifens der Leber und des Pansens. Das faktische, durch Schießtechnik aufzulosende, Schwanken des Absehens auf dem Wildkörper sei hier anerkannt. Für den Rahmen dieses Artikels ist es aber ausgeklammert.

Wir gehen weiter der Frage an und für sich nicht durch die Lage des Schusses erklärbarer, später beim Aufbrechen (Verletzung eines Blattes oder der Leber/Pansen) und noch später beim Zerwirken (Hämatome) festgestellter, Beeinträchtigungen der Wildbretausbeute nach und überlegen, was wir tun können. Hier soll drei möglichen Faktoren nachgegangen werden:

  1. Hochwildtaugliche Patronen
  2. Einfluss des geschwindigkeits- und konstruktionsabhängigen Geschossverhaltens
  3. Agitationszustand des Wildes vor und bei der Schussabgabe

Kurz gesagt – wenn alles stimmt, warum kommt es immer wieder zu den festgestellten, unerwünschten Einflüssen auf die Wildbretqualität durch z. B. Hämatome?

Unerwünschte Einflüsse auf Wildbretqualität

Wildbret

Langsame Laborierungen sind nicht per se ein Garant für wenig Wildbretentwertung. © Dr. Carl Gremse

These 1: Schießen wir mit Kanonen auf Spatzen?

Nach vorliegenden Untersuchungen verwendete man in der Tat in der Regel auch für die Bejagung von Rehwild Patronenkaliber. Diese erfüllen die Anforderungen des § 19 Bundesjagdgesetz für die Verwendung auf Hochwild. Die Argumentation dabei ist häufig, dass nicht nur Rehwild flächig vorkommt, sondern auch Schwarzwild und solches ja ebenso gern mit erlegt werden soll.

In Zahlen ausgedrückt, wurden im Untersuchungszeitraum 2009 – 2014 von über 4348 erlegten Rehen lediglich 78 mit nach § 19 nur für Rehwild zugelassenen Patronen erlegt. Sicher kommt es hier zu weiteren, sich überlagernden Effekten. Dennoch scheint die Aussage haltbar, dass auch Rehwild eher mit nach § 19 für alles übrige Schalenwild zugelassenen Patronen erlegt wird.

These 2: Beeinflussen die Geschossgeschwindigkeit und die Geschosskonstruktion das Auftreten von Hämatomen und Wildbretentwertung?

Der Markt an Geschossen ist breit gefächert. Für allgemeingültige Aussagen zu jeder einzelnen Geschosskonstruktion zu breit gefächert. Zumal jede einzelne Geschosskonstruktion noch in mehreren Kalibern angeboten wird und dort in Patronen unterschiedlicher Mündungsgeschwindigkeitsbereiche verladen wird. Die werden dann auf der Jagd in Gewehren unterschiedlicher Hersteller und Laufgrößen auf wechselnde Schussentfernungen verschossen.

Als Diskussionsbehelf werden oft die Kategorien „Deformationsgeschosse“ und „Zerlegungsgeschosse“ verwendet. Erstere meinen Geschosse, die herstellerseitig so konstruiert wurden, dass sie 90 % ihrer Ausgangsmasse nach Auftreffen auf den Wildkörper erhalten und sich lediglich in Schussrichtung querschnittvergrößernd verformen. Letztere sind so konstruiert, dass sie nach dem Auftreffen auf den Wildkörper mehr oder weniger kontrolliert Geschossmasse in Form von Splittern abgeben. Ein Restkörper zwischen etwa 40 und 75 % Restmasse sorgt für einen Ausschuss.

Zerlegungsverhalten – Patronen für Rehwild

Diese Eingruppierung berücksichtigt einerseits nicht das durchaus geschwindigkeitsabhängige Verhalten von Geschossen. Beispielsweise können durchaus Geschosstypen, die landläufig als Deformationsgeschosse bekannt sind, aus schnellen Patronen auf kurze Entfernung verschossen ein Zerlegungsverhalten zeigen.

Davon abgesehen, wird jeder Jäger aber mit diesen Kategorien etwas anfangen können. Oft bringt man die harten Deformationsgeschosse mit einer einerseits etwas geringeren Augenblickswirkung in Verbindung, die dafür durch eine geringere Wildbretentwertung aufgewogen wird. Den Zerlegungsgeschossen wird landläufig eher das Gegenteil (kurze Flucht/höhere Wildbretentwertung) nachgesagt.

Der Laborierungstest

Dieser landläufigen Ansicht folgend, habe ich für meinen Sohn und mich eine Laborierung für unsere Jagdbüchsen in .308 Winchester entwickelt, die folgende Kriterien erfüllen sollte:

  • gute, jagdliche Präzision aus beiden Büchsen
  • gute bis sehr gute Augenblickswirkung
  • geringe Wildbretentwertung
  • geeignet für Ansitz, Bewegungsjagd und Hundearbeit
  • zugelassen für alles Schalenwild nach § 19 Bundesjagdgesetz
  • geringer Mündungsgasdruck für die Verwendung aus kurzen Läufen mit Schalldämpfern

Patronen für Rehwild: Agitationszustand

Dies konnte mit einer Handladung mit Barnes TTSX – Geschoss 8,7 g und 770 m/s Mündungsgeschwindigkeit, gemessen aus dem 42 cm-Lauf meiner Jagdbüchse, grundsätzlich umgesetzt werden. Sicher sind 770 m/s eher langsam und für Bewegungsjagden für manche zu langsam. Doch bin ich auch für diesen Einsatz mit der Laborierung sehr zufrieden.

Dem Kontext unseres Artikels folgend, wird vielleicht jedoch verständlich werden, wenn ich diese Laborierung einer eher langsamen .308 Win. (770 m/s) mit einem eher harten Geschoss (Barnes TTSX 8,7 g) und einer eher geringen Geschossenergie von berechneten 2514 Joule E0 als Beispiel anführe, dass die landläufigen Meinungen von großer Wildbretzerstörung/Hämatombildung als Folge schneller Patronen und auf Zerlegung angelegter Geschosse das ganze Bild noch nicht zu zeichnen vermögen. Nach meinem Dafürhalten muss mindestens eine weitere Einflussgröße Berücksichtigung finden, und zwar der Agitationszustand des beschossenen Stückes (These 3).

Probe aufs Exempel und Fazit

Anfang Mai dieses Jahres waren mein Sohn und ich unterwegs auf Rehböcke. Ich hatte meinen Sohn so abgesetzt, dass er eine Chance auf einen zuvor bestätigten Bock haben sollte und mich einfach „aus dem Wind“ geparkt. Wie es dann natürlich kommen musste, hatte nicht er Anlauf, sondern ich selbst. Ein Bock markierte höchst engagiert sein Territorium.

Er legte dabei in kürzester Zeit in meinem Sichtbereich etwa 200 m zurück und fegte und plätzte an drei Stämmchen, bis er, kurz verhoffend, auf etwa 60 m eine Kugel der oben genannten Laborierung bekam. Eine kurze Flucht von 30 Metern war die Folge. Binnen 20 Minuten versorgten wir den Bock gemeinsam an der Kühlzelle. Einen Tag später hatte auch mein Sohn Anlauf unter ganz ähnlichen Verhältnissen und beide Böcke verwerteten wir später selbst.

Erklärung von Hämatomen: Patronen für Rehwild

Aus meiner Sicht lassen sich die doch eher großflächigen und auch tief verteilten Hämatome nicht ausschließlich ballistisch erklären. Schließlich kann man eine hochwildtaugliche .308 kaum langsamer laden und das Barnes TTSX-Geschoss steht nicht unbedingt im Verdacht, besonderes grob zu wirken. Ich denke, vielmehr hat hier die natürliche Erregung der beiden Böcke im Zuge der Markierung ihrer Reviere einen Einfluss genommen.

Vorangegangene Erlegungen von weiblichem Rehwild im letzten Jagdjahr waren dahingehend unauffällig. Ich werde künftig weiter darauf achten. In anderen Artikeln zu diesem Thema wird aus meiner Sicht zu Recht auf das Gesetz der „großen Zahlen“ verwiesen. Wir werden daher nicht gleich eine Laborierung wechseln, mit der wir an und für sich ganz zufrieden sind.

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