Die Lösung: Die Scheu vor dem Schießen verlieren

Unsere Autorin Annette Schmitt zeigt Ihnen, wie unsere Hunde die Scheu vor dem Schießen verlieren.

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Der Drahthaar gehört zu den größten deutschen Vorstehhunden. (Foto: Pixabay)

Das Schießen einordnen lernen

Das Schießen gehört auf der Jagd dazu. Es ist der notwendige Schritt, um nachhaltig an ein qualitativ hochwertiges Lebensmittel zu gelangen. Auch das Üben gehört dazu, sowohl müssen die Fertigkeiten des Hundes als auch die des Schützen trainiert werden. Eine Übersicht finden Sie hier. Jeder Welpe zeigt anfangs eine gewisse Geräuschempfindlichkeit, doch diese gehört zu einer ganz normalen Entwicklung im Zuge der Reifung dazu. Selbstverständlich gibt es hier auch große individuelle Unterschiede – je nach Persönlichkeit des Hundes. Grundsätzlich ist es nötig, schon den Welpen ganz behutsam an verschiedene Geräusche zu gewöhnen. Verpasst man dies oder geht man in dieser Phase nicht einfühlsam genug vor, muss die Gewöhnung später nachgeholt und eine eventuell sich inzwischen eingeschlichene Schreckhaftigkeit mühsam wieder ausgebügelt werden.

Geräuschempfindlichkeit beim Schießen

Eine Geräuschempfindlichkeit kann jedoch auch in den Genen verankert sein. Solch eine Sensibilität ist manchmal schon beim Welpen durch eine große Ängstlichkeit, Fluchttendenz bis hin zu panischem Verhalten erkennbar. Eine anlagebedingte Schussangst tritt oft erst allmählich zutage. Anfangs gibt sich der Hund völlig normal und gleichgültig gegenüber jeglichem Lärm und sogar Schussgeräuschen. Irgendwann aber tritt ganz plötzlich nach einem Schuss eine unverständliche Panik auf, die sich durch nichts wirklich kurieren, sondern höchstens etwas abschwächen lässt. Dies ist ganz typisch für eine vererbte Angst vor dem Schießen. Grund hierfür kann etwa sein, dass die Hündin während ihrer Trächtigkeit ein Schuss-Trauma erlitten hat. Diese Panikattacke der Mutter setzt Stresshormone frei, die das chemische Milieu im Mutterleib entsprechend verändern, was sich wiederum auf das spätere Verhalten der Welpen auswirkt. Die Stressbelastung der tragenden Hündin führt bei den Welpen zu einer veränderten „Lebenseinstellung“.

Belastungssituationen beim Schießen steuern

Geraten solche Hunde später in eine ähnliche Belastungssituation wie die damals trächtige Hündin, ist es natürlicherweise günstiger, wenn sie diesem Geschehen gleich mit größter Vorsicht, Skepsis und Zurückhaltung begegnen. Liegt eine echte Schussangst vor, sollte der Vierläufer gar nicht mit dem angstauslösenden Reiz, sprich Knall, konfrontiert werden. Folglich ist solch ein Hund höchstens für Totsuchen am Riemen einzusetzen, wenn sicher ist, dass wirklich kein Schuss mehr fallen muss. Knallt es doch während einer Nachsuche, stellt sich bei einem schussscheuen Vierläufer schnell eine Fehlverknüpfung ein, wenn er etwa die Witterung der Wundfährte mit dem Schuss verbindet. Schließlich versetzt ihn bereits der Geruch des Schweißes in Panik, selbst ohne Schuss. Schnell überträgt sich seine Angst dann auch auf diverse Alltagssituationen. Daher zeigt sich ein Hund mit Schussangst oft generell nicht so nervenstark.

Langsam Vorgehen

Eine therapierbare Schussempfindlichkeit vor dem Schießen kann von der echten Schussangst dadurch unterschieden werden, dass der Hund bei einem Knall zwar verunsichert reagiert und möglicherweise bei seinem Führer Schutz sucht, trotzdem aber noch ansprech- und ablenkbar bleibt. Um eine zuverlässige Schussfestigkeit zu erreichen oder eine schon bestehende leichte Schussempfindlichkeit zu korrigieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten.

Lautstärke steigern

Grundsätzlich ist es wichtig, die Lautstärke des Knalls erst langsam zu steigern und dieses Geräusch mit etwas Positivem zu verbinden. Zudem hilft es, wenn der Vierläufer den Lärm direkt einer verursachenden Person zuordnen kann. Schon gelegentliches Klatschen , das Sie ganz nebenbei in ein lustiges Spiel integrieren oder in Verbindung mit der täglichen Fütterung durchführen können, ist eine mögliche Vorbereitung. Das Zerplatzenlassen einer aufgeblasenen Butterbrottüte oder eines Luftballons in unterschiedlich ausgeführter Intensität und Entfernung ist ebenfalls eine Möglichkeit zur Gewöhnung an den Schussknall beim Schießen. In der Folge können ein Dummy-Launcher, eine Signalwaffe oder ein Schrotschuss aus der Flinte eingesetzt werden. Selbst eine CD mit Schussgeräuschen, die während der Fütterung oder eines Spiels zunächst nur leise im Hintergrund läuft, kann helfen.

Die Dosierung entscheidet beim Schusstraining

Entscheidend ist stets die richtige Dosierung beim Schießen, damit der Vierläufer nicht durch ein überstürztes Handeln unnötig verschreckt wird, sondern die Möglichkeit hat, sich langsam an die volle Lautstärke eines Schusses zu gewöhnen. Ablenkung an sich ist jedoch nicht unbedingt ein Universalheilmittel gegen Schussempfindlichkeit. Je nach individueller Wesensstruktur des Hundes kann es sein, dass die Geräuschempfindlichkeit wieder auftritt, sobald der Ablenkungsreiz und somit die gezielte Fokussierung der gesamten Konzentration auf ein anderes Ereignis als den Schuss, etwa Futter oder ein Spiel, ausbleibt. Passen Sie das Training stets ganz individuell an Ihren Hund und seine Belastbarkeit an. Erhöhen Sie die Anforderungen nur ganz langsam. Ist Ihr Vierläufer erst einmal verschreckt und hat einen Knall in schlechter Erinnerung, dauert es umso länger, ihn wieder zu einem gelassenen Verhalten zu bringen.

Gute Erfahrungen sammeln

Liegt einer Schussempfindlichkeit eine Fehlverknüpfung zugrunde, ist sie also mit einem bestimmten Ort, einem speziellen Gegenstand oder Erlebnis verbunden, wird es schwieriger, diese zu korrigieren. Es gibt Vierläufer, die sofort ängstliche Unsicherheit zeigen, sobald sie Wild apportieren sollen. Selbst der Anblick eines Gewässers oder das bloße Aufnehmen der Flinte durch den Jäger kann bei schusssensiblen Hunden bereits mit dem einschüchternden Knall oder einem schmerzhaften Erlebnis assoziiert werden. Schließlich ist es keine Seltenheit, dass Hunde bei der Ausbildung an der Ente versehentlich mal ein paar Schrotkörner abbekommen. Es ist also wichtig, die vermeintliche Gefahrenquelle so positiv wie möglich zu belegen.

Dekowaffen vor dem Schießen nutzen

Rein die Anwesenheit der Flinte, sowie das Klickgeräusch beim Entsichern müssen für den Hund völlig normal sein. Daher empfiehlt es sich, ein Luftgewehr oder eine Dekowaffe zunächst einfach nur in die Ecke eines Raumes zu stellen, in dem sich der Vierläufer oft aufhält. Beachtet er die Waffe nicht mehr, legen Sie diese immer wieder mal auf den Boden. Zeigen Sie ihm das Gewehr, lassen Sie ihn daran schnuppern und legen Sie Leckerli auf den Schaft, die sich Ihr Hund holen darf. So lernt er, dass keine Gefahr davon ausgeht.

An die Waffe gewöhnen

Akzeptiert er die reine Anwesenheit der Waffe, betätigen Sie immer wieder mal die Sicherung, anfangs in einiger Entfernung zum Hund und schließlich immer näher kommend. Verbinden Sie dies am besten erneut mit seiner Fütterung. Steigern Sie die Anforderungen erst, wenn Ihr Vierläufer wirklich ruhig und gelassen bleibt. Bei souveränem Verhalten nie Lob und Belohnung vergessen! Ignorieren Sie hingegen jegliche Form von Unsicherheit und Angst. Reagiert Ihr Hund mit Ängstlichkeit, Beschwichtigungssignalen oder Meideverhalten, beenden Sie sofort die für ihn bedrohliche Situation. Trösten Sie ihn aber nicht, denn dies würde seine Unsicherheit nur bestätigen und weiter verstärken. Stattdessen gehen Sie einfach zu einer anderen Alltagshandlung über. Beim nächsten Mal nehmen Sie das Training dann genau an der Stelle wieder auf, an der Ihr Hund noch völlig gelassen bleibt. Ähnlich können Sie bei einer Fehlverknüpfung im Zusammenhang mit Wasser oder Apportiergegenständen vorgehen.

Spielerisches Lernen

Versuchen Sie spielerisch und mit Futter den unsicheren Vierläufer Schritt für Schritt an den bloßen Aufenthalt an Gewässern und ein normales Apportieren zurückzuführen. Orientieren Sie sich dabei an den individuellen Vorlieben Ihres Hundes. Beginnen Sie erst wieder – ganz behutsam – mit der Gewöhnung an einen zusätzlichen Schussknall, wenn diese Situationen wieder völlig normal für ihn sind. Manchmal hilft außerdem die Anwesenheit eines souveränen, schussfesten älteren Hundes, da Vierläufer gut durch Beobachtung und Nachahmung lernen. Auch eine Reizangel kann so viel Ablenkung bieten, dass die langsame Gewöhnung an einen Knall kein Problem darstellt. Vorsicht: Das aufputschende Training mit der Reizangel in Verbindung mit einem Schuss trainiert dem Hund eventuell erst einmal eine Schusshitzigkeit an. Nach erfolgreichem Ignorieren des Knalls, muss diese wieder abgebaut und in Schussruhe umgewandelt werden.

Mit Ruhe zum Erfolg

Für den Jagdgebrauchshund ist absolute Schussruhe ein Muss, also einwandfreier Gehorsam bei der Abgabe von Schüssen. Grundvoraussetzung hierfür ist die Schussfestigkeit, also die völlige Gelassenheit bei einem Knall.  Um dem Vierläufer Schussruhe beizubringen, sind zunächst ausgiebige Anschlagsübungen empfehlenswert. Dazu laufen Sie mit der Flinte und dem anfangs angeleinten Hund durchs Revier, bleiben dann immer wieder stehen, gehen in Anschlag und geben dem Vierläufer gleichzeitig ein Kommando wie „Halt“, „Steh“ oder „Platz“. Allmählich muss diese Übung dem Hund so vertraut sein, dass er sich auch ohne Worte gleich in die gewünschte Position begibt, sobald Sie in Anschlag gehen.

Einen Schritt weiter

Funktioniert dies problemlos, geben Sie zusätzlich einen Schuss ab. Jetzt soll der Vierläufer ebenfalls sofort ruhig verharren. Will er ungestüm losrennen, trillern Sie ihn mit der Hundepfeife ins „Platz“. Üben Sie dann mit einer Hilfsperson, die in etwa 20 bis 30 Metern Entfernung einen Schuss abgibt, während Sie dem Hund das entsprechende Kommando geben. Ihr Hund darf natürlich nicht ohne Leine laufen, bis diese Übung zuverlässig klappt.

Schleppentraining als Hilfe

Als Zwischenstufe zum schussruhigen Gehorsam im Freilauf, können Sie die Schleppleine einbauen, damit der Vierläufer immer noch gesichert ist. Wichtig ist auch bei diesen Übungen, selbst absolut ruhig zu bleiben. Sind Sie im Training hingegen zu hektisch oder zu aufreibend für den Hund, entwickelt er schnell eine kontraproduktive Schusshitzigkeit. Die entsteht auch dann leicht, wenn das allgemeine Training zur Schussfestigkeit mit zu aufregenden, vermeintlich vom Schuss ablenkenden Erlebnissen oder Spielen verbunden ist. In der Folge wird der Hund durch jeden Knall in eine Übererregung versetzt, denn das Schussgeräusch bedeutet für ihn schlicht: Action! Eine sofortige Maßregelung bringt hier nichts.

Zur Not: Von vorne beginnen

Vielmehr bestärkt das den Vierläufer nur in seiner übersteigerten Reaktion. Stattdessen ist es empfehlenswert, ganz von vorne mit dem Schussruhe-Training zu beginnen. Außerdem soll die Gegenwart der Waffe für den Hund Normalität werden. Dabei ist wichtig, die Anwesenheit der Flinte und das einfache Hantieren damit nicht mit Futter zu verbinden, denn dies wäre für den bereits schusshitzigen Vierläufer erneut ein anstachelnder Reiz.

Freunde um Hilfe bitten

Üben Sie völlige Gelassenheit bei Knallgeräuschen zunächst durch die Schussabgabe einer Hilfsperson in einiger Entfernung vom Hund. Auch ein Training in der Nähe eines Schiessstandes hat sich als durchaus sinnvoll erwiesen. Reagiert Ihr Vierläufer anfangs trotzdem noch über, lassen Sie ihn sofort so lange abliegen (ohne weiteren Schuss), bis er sich völlig entspannt. Erst dann darf er aufstehen und mit Ihnen weiterlaufen. So lernt Ihr Hund, dass er mit aufgeregtem Verhalten gar nichts erreicht, mit Ruhe jedoch viel mehr. Jegliche Entspannung des Hundes wird natürlich ausgiebig gelobt.

Gemeinsam auf Jagd zum Schießen

Setzen Sie einen schusshitzigen Vierläufer generell so lange nicht zur Jagd ein, bis er absolut schussruhig ist. Erst wenn dies soweit ist, haben Hund und Führer wieder zusammen Freude an der Jagd. Hier gibt es eine Übersicht von Jagdhunden des DJVs und ihre Einsatzgebiete.