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JÄGER Ausgabe März 2020 Was kann mein Revier?

Wildmeister Harmut S. ist der Archetyp eines knorrigen Berufsjägers.

58 Jahresjagdscheine hat der Mann auf dem Buckel. 2000 Füchse erlegt, 500 Pirschpfade geharkt, 1500 Hochsitze gebaut, acht Schweißhunde ausgebildet. Seine alten Augen haben so ziemlich alles gesehen, was man als Jäger sehen kann: Nachtfröste, Dürresommer, Rekordhirsche, Rauschzeit, Ranz- und Riesenstrecken, Sandbüchsen und Wildparadiese. Im Auftrag des Wildes hat Hartmut S. hat seine Fährte in vielen Revieren gezogen. Aber so etwas wie das Social Media Revier auf der Dortmunder Jagd und Hund 2020 war selbst für ihn Neuland. In einer riesigen, neugeschaffenen „Blogger-Lounge“ konnte selbst ein alter Hase wie er noch etwas dazulernen.

Aufwändig und wirkmächtig wurde dort etwa vorgetragen, wie man Fasan und Rebhuhn wirklich hegt, was mit der ASP auf uns alle zukommt, oder wie ein besonders erfolgreicher Drückjagdschütze auf dem Stand agiert. Hartmut S. staunte nicht schlecht, als er sah, wie selbstbewusst dort Antworten auf Fragen gegeben wurden, die ihn und seine Berufskollegen seit Jahrzehnten befassen.

Denn die Dozenten waren weder Berufsjäger, noch Wildbiologen, Förster oder Jagdaufseher; sondern so genannte „Influencer“. Zur Begriffsklärung: Als ein Influencer – im Sinne der Dortmunder Messe – gelten sendungsbewusste, junge Jäger, deren Qualifikation im Prinzip aus drei Voraussetzungen besteht: Ein Gewehr, ein Jagdschein und ein Smartphone. Zunächst folgten ihnen hunderte junger Jäger, dann zigtausende. Mittlerweile werden sie auf der Messe gefeiert wie Ikonen einer Sportart. Unter ihnen befinden sich zweifelsfrei auch ein paar kompetente, oder zumindest lernwillige und wissbegierige.

Was ihrer Inszenierung aber insgesamt fehlt, ist jedes Korrektiv. Was sie so fragwürdig macht, ist insbesondere, dass der eine Leistungsnachweis, den wir Jäger jahrhundertelang alle kannten und respektierten, nämlich Erfahrung, eben bei ihnen nicht mehr gefragt ist. Ginge es um Snowboardfahren, oder Computerspielen, wäre das egal. Da es aber um den Umgang mit Wald, Wild und Waffe geht, gab es auf der Dortmunder Messe kaum ein anderes Gesprächsthema. Auch die Frage, warum Aussteller und Besucher, von denen die Messegesellschaft seit Jahrzehnten viel Geld eintreibt, einen solch pompösen Messestand der neuen Medienvertreter quersubventionieren mussten, erregte die Gemüter.

Noch wichtiger aber scheint die Frage, ob die Jagd, welche ohnehin in der Kritik steht, und Deutschlands größte Jägermesse, die es auch dieses Jahr erneut per Verriss in die BILD Zeitung geschafft hat, sich wirklich das Risiko leisten können, blutjungen, unerfahrenen und in Teilen leider geltungssüchtigen Menschen eine solche Bühne zu bieten? Was steht auf dem Spiel? Und wer wird am Ende der Verlierer sein? Wer Gewinner? Werden die Influencer sich künftig von alten Hasen noch etwas sagen lassen? Wenn irgendwann alle Influencer sind, wer ist dann eigentlich noch Fan?

Was wird aus unserem Wild, wenn jeder Blogger es es nun für seinen filmischen Ruhm nutzen muss? Hartmut S., soviel steht, ist froh, dass er kein Smartphone hat. Er soll die lange Heimfahrt über wenig gesprochen haben…

  • Vor der Jagdpacht: Was kann mein Revier?
    • Bonität des Buschs: Worauf es wirklich ankommt
    • Strecken der Vorjahre: Warum Sie zu hinterfragen sind
    • Brille des Wildes: Eine wichtige Perspektive
  • ASP-Ausbruch
    Was auf uns zukäme
  • Nach der Drückjagd
    Wann die Sauen heimkehren
  • Revierstörung
    Was wir Jäger selbst bewirken
  • Wildkamera
    Wie gute Aufnahmen gelingen
  • Feldversuch
    Wie viel Kirrgut in die Sau passt
  • Drückjagd
    Rückblick auf die Saison 2018/2019