Stadt-Land-Konflikt: Das frustet unsere Bauern

Der Stadt-Land-Konflikt belastet Deutschlands Bauern. Wir stellen die vier Krisenherde des Konfllikts vor.

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© David Guenther/ Unsplash

Der Stadt-Land-Konflikt ist in aller Munde. Doch warum fühlen sich unsere Bauern eigentlich so von der Politik im Stich gelassen? Warum haben unsere Bauern so einen schlechten Ruf? Und was hat der Wolf damit zu tun? Dr. Lucas v. Bothmer hat die wichtigsten Ursachen zusammengetragen.

Krisenherd 1: Grüne Journalisten

© Phillip Rehfeld nach Statista

Würden nur deutsche Journalisten den Bundestag wählen, wären die Grünen mit knapp 30 Prozent stärkste Kraft, dann käme lange nichts und die SPD hätte etwa 15 Prozent aller Stimmen. Ergo: „Die Medien“ in Deutschland sind erkennbar linker als seine Bürger eingestellt. Diese Entwicklung rührt noch aus der Zeit des letzten „Kulturkampfes“ aus den 60er Jahren. Bei der letzten – echten – Bundestagswahl 2017 gewann die CDU die meisten Zweitstimmen – nicht nur auf dem Land, sondern eben auch in Berlin, Hamburg und München. Dennoch erscheint es bei ZEIT, Stern und Spiegel Online immer noch so, als wolle die Mehrheit der Bevölkerung Robert Habeck als nächsten Bundeskanzler und wünsche sich noch mehr Wölfe in unseren Wäldern. Diese Haltungen aber sind gar nicht durch tatsächliche Mehrheiten gedeckt. Ein Gefühl der Ohnmacht beschleicht viele Menschen auf dem Land, da sie den Eindruck vermittelt bekommen,
eine Minderheit zu sein. Dass jedoch der allergrößte Teil der Bevölkerung schlicht ahnungslos oder unvoreingenommen ist, bekommen sie gar nicht mit.

Auch wenn der NS-Kampfbegriff von der „Lügenpresse“ absurd sein mag: Wenn Bauern, Jäger oder Viehhalter heute beklagen, dass sie sich medial verunglimpft und ihre Interessen vernachlässigt sehen; von welchem Medium, außer der hetzerischen BILD, können sie überhaupt noch Schützenhilfe erwarten? Die meisten Journalisten leben in Großstädten und zählen sich zur „kosmopolitischen Elite“. Viele von ihnen verorten sich auf der Seite des liberalen, grünen Moralismus. Ausgenommen hiervon sind die meisten Lokalzeitungen, welche wiederum unter existenziellem Auflagenschwund leiden. Ein echtes Dilemma, das einer sachlichen Auseinandersetzung beider Parteien nicht hilft. Zum Glück haben die Bauern mittlerweile eigene Sprach-
rohre, wie Branchengröße „Bauer Willi“, der als Agrarblogger enorme Reichweiten erzielt, sogar bis in die Hauptstadt hinein.

Krisenherd 2: Die Landflucht

Noch in den 1950er Jahren arbeiteten fünf Millionen Deutsche in der Landwirtschaft. Mittlerweile sind’s unter 500.000. Nur noch 15 Prozent aller Deutschen lebt heute in Orten mit weniger als 5.000 Einwohnern. Das waren nach dem Zweiten Weltkrieg noch fast die Hälfte aller Deutschen. Einer der zahlreichen Gründe für die Landflucht: Landwirtschaft braucht große Maschinen, aber kaum noch Arbeitskräfte, während Städte Arbeitsplätze für die auf dem Land Entbehrlichen bereithielten. Dieser Effekt lässt sich weltweit beobachten. Eine Folge davon ist die zunehmende Unkenntnis der Stadtbevölkerung über Produktionsprozesse in der Landwirtschaft. Ein weiterer Antrieben für den Stadt-Land-Konflikt.

Auch wenn in Berlin oder München die Nachfrage nach den teureren Bioprodukten leicht steigt, ihr Anteil am Gesamtmarkt liegt noch immer unter zehn Prozent. Denn nach wie vor gilt: Essen in Deutschland darf vor allem nichts kosten. Lebensmittel wie Brot, Fleisch und Käse sind bei uns sogar preiswerter als bei all unseren westeuropäischen Nachbarn. Der Anteil unseres Budgets für Lebensmittel liegt mit etwa zehn Prozent des Einkommens europaweit im unteren Drittel. Es ist absurd: Je mehr Geld wir Menschen verdienen, desto weniger davon geben wir für etwas so Elementares wie Essen aus.

Krisenherd 3: Das Höfesterben

Wie die Menschen aus den kleinen Dörfern in die Ballungsräume zogen, so hat sich auch die Struktur der Bauernhöfe selbst verändert. Nur noch knapp 270.000 landwirtschaftliche Betriebe gibt es heute in Deutschland. Der Preisdruck für deren Erzeugnisse sowie eine immer bürokratischere EU-Agrarpolitik zwingen immer mehr von ihnen, aufzugeben und ihre Flächen zu verkaufen. Doch diese lohnen sich nur noch für agrarische Großbetriebe oder Investmentgesellschaften, welche Geld parken müssen. Die Landpreise sind aufgrund der Zinspolitik der EU historisch hoch, die Renditen aber sehr niedrig. Eine Spirale, an deren Ende eine weitgehende Vergreisung und Verwaisung unserer Landschaften stehen wird, wenn keine neuen Impulse aus Brüssel kommen. Weite Teile Nordostdeutschlands zeigen auf, was passiert, wenn Agrar-Arbeitsplätze wegfallen, aber weder Industrie noch Dienstleistung nachrücken. Aber auch in wirtschaftlich starken Ländern wie Bayern hinterlässt das Höfesterben Spuren.

Zum Höfesterben trägt obendrein bei, was man neudeutsch als „Vereinzelung unserer Gesellschaft“ bezeichnet. Früher waren wir Deutschen als Vereinsmeier weltberühmt. Wir trafen uns beim Fußball, im Schützenhaus, bei der Feuerwehr. Auch wir Jäger waren aktiver in Verbänden und Hegeringen. Denn auch wir lebten (und tun es wohl bis heute) überdurchschnittlich oft auf dem Land und hatten kein Smartphone. In einer digitalen Informationsgesellschaft aber ist der Zusammenhalt nicht mehr so entscheidend, sondern die individuelle Entfaltungsmöglichkeit. So gibt es eben auch Tausende von Landwirtskindern, aus Haupt- und Nebenerwerbslandwirten, denen die Großstadt attraktiver erscheint, als das auf Selbstausbeutung basierende Landwirtsdasein. Besonders hart trifft es Betriebe, die noch von der Viehhaltung leben. Insgesamt lässt sich also festhalten, dass immer weniger Menschen von und in der Landwirtschaft leben, diese Wählergruppe also bei der CDU an Gewicht verloren hat – und sich zugleich von den Grünen aus den Städten bevormundet fühlt. Agrarpolitik war jahrzehntelang Sache der Union, doch wird heute in vielen Bundesländern von den Grünen diktiert. Deren Wähler aber sitzen in der Stadt. Ein echtes Dilemma.

Krisenherd 4: Die Naturentfremdung

© Phillip Rehfeld nach Statista

Wohl nichts veranschaulicht diese besser als der politische Missbrauch des Wolfs. Noch im Mittelalter mit Forken und Hundertschaften aufgerieben, lebten in Europa schon wieder 20.000 Wölfe, als bei uns der erste Grauhund 2007 „zufällig“ auf einem Sperrgebiet auftauchte. Der Wolf ist mitnichten ein Botschafter unberührter Natur, sondern kann, wie wir aus vielen Nachbarländern wissen, auf jeder Müllkippe leben. So war auch sein „günstiger Arterhaltungszustand“ nie bedroht, dennoch zog unsere Politik sofort völlig willkürliche Habitatsgrenzen, um auf Basis einer „streng bedrohten Tierart“ immer skurrilere Wolfsschutz-Exzesse durchzusetzen. Den meist grün geführten Ministerien ist keine Maßnahme absurd genug und kein Steuersäckel zu wertvoll.

Viele Bauern wiederum maulen zu leise, während wenige Wolfsschützer zu laut sind. Jüngstes Beispiel war eine von Wolfsfreunden boykottierte Drückjagd nahe Nienburg in Niedersachsen, bei der Jäger daran gehindert werden sollten, den Wölfen ihre „Nahrungsgrundlage wegzuschießen“. Unvergessen auch der klimatisierte Wolfsanhänger von Hannover, welcher bislang nur eine einzige Einsatzfahrt verzeichnen konnte. Deprimierte Schäfer, die von ihrer massakrierten Schafherde in Ermangelung von LTE Netz kein Foto verschicken können, sind sicher beruhigt, dass wenigstens angefahrene Wölfe nun wohltemperiert in die Spezialklinik gefahren werden können, um sich aufwändigen Operationen zu unterziehen. Eine Farce, für die uns unsere Vorfahren vom Lande wohl „spätrömische Dekadenz im Endstadium“ attestiert hätten. Es gibt viele Beispiele für die Entfremdung der Städter von Natur und Wildbahn, für die Verdrängung von Fressen und Gefressen-werden, für die Notwendigkeit menschlichen Eingreifens in die Kulturlandschaft. Doch keines ist so haarsträubend und verdeutlicht den Stadt-Land-Konflikt besser als die Wolfsdebatte.