Sikawild in Brandenburg: Staatssekretär Beyer im Interview zur „invasiven Art“

Totalabschuss oder doch normale Bejagung? Staatssekretär Gregor Beyer erklärt im Interview, wie der Umgang mit dem Sikawild in Brandenburg aussehen soll.

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Das Sikawild in Brandenburg sorgt seit neuer EU-Einstufung für ordentlich Diskussionsstoff. © Unsplash/pen_ash

Nach neuer EU-Einordnung gilt das Sikawild in Europa als invasive Art. Danach kursierten Erzählungen von einem geplanten Totalabschuss vom Sikawild in Brandenburg. JÄGER hat mit dem Mann gesprochen, der das Zepter in der Hand hat: Gregor Beyer. Der Politiker erklärt im Interview, wie der Umgang mit dem Sikawild in Brandenburg aussehen soll.

Wie bewerten Sie aus Brandenburger Sicht den aktuellen Vorgang in der EU in Sachen Sikawild? Und wie ist der Umgang bei Ihnen auf Landesebene, wenn die geplanten Änderungen in Kraft treten?

Staatssekretär Gregor Beyer:
Wir müssen differenzieren zwischen der Grundsatzfrage, die auf EU-Seite wieder aufgemacht worden ist und dem einen Sikawildbestand, den wir jetzt in der Prignitz in Brandenburg haben, der für ziemlich große Diskussionen gesorgt hat.

Unsere Position ist, die habe ich kürzlich auch nochmal in einem Brief an den zuständigen Amtsdirektor klargestellt, dass wir momentan keinen Anlass für einen Totalabschuss sehen – das war auch nie der Fall, dies wurde jedoch in der Öffentlichkeit als Möglichkeit diskutiert.

Denn solange keine nachgewiesenen negativen Auswirkungen auf die Rotwildpopulation festgestellt werden können, oder wir durch das Sikawild eine besondere Wildschadenssituation haben, solange sehen wir keine Notwendigkeit für mehr als die normale Bejagung. Sikawild ist jagdbares Wild und die Jagd ist dementsprechend möglich. Deshalb wird jetzt im nächsten Jagdbeirat, das habe ich letzte Woche so verfügt, das Thema auf die Tagesordnung kommen.
Und dann werden wir uns darüber unterhalten, ob wir für das Sikawild in der Prignitz ein eigenes Monitoring einrichten, bei dem wir diesen beiden Fragen nachgehen. Aber solange es dazu keine Ergebnisse gibt, sehen wir auch keine Notwendigkeit für den Totalabschuss. Normale Bejagung Ja, das ist sowieso geregelt, aber eben nichts, was in Richtung einer Auslöschung des Bestands abzielt.

Messen Sie dem Sikawild in Deutschland denn auch eine gewisse kulturhistorische Bedeutung bei?

Da wäre ich vorsichtig, wenngleich ich in den Debatten in der Prignitz zu Kenntnis genommen habe, dass eine solche Tendenz in der öffentlichen Debatte besteht. Es gibt  dort Menschen, die sich mit dem Sikawild besonders besonders identifizieren und mehr verbunden fühlen als mit anderen Wildarten. Die grundsätzliche Frage dazu  will ich aber nicht aufmachen, denn dann machen wir sie für ganz viele Wildarten auf. Zum Beispiel für das Muffelwild, welches sich zwar durch die Anwesenheit des Wolfes in Brandenburg mehr oder weniger erledigt hat, aber auch beim Damwild steht genau die gleiche Frage im Raum. Das Damwild war nach der letzten Eiszeit nicht mehr zurückgekommen, der Mensch hat es wieder in die Mark gebracht. Wenn man will, kann man solche Debatten führen, ich aber bin dafür zu sehr Realpolitiker!

Also sehen Sie nicht per se die Gefahr der Hybridisierung oder fortwirtschaftlicher Schäden, solange sich die Bestandsdichte vom Sikawild im Rahmen hält?

Die Gefahr, die ich sehe, ist zunächst die Gefahr einer genetischen Verarmung unserer Rotwildbestände. Zwar noch nicht in Brandenburg, aber in vielen anderen Regionen  Deutschlands. Diese Debatte halte ich für viel relevanter. Ansonsten bewegt mich als ausgebildetem Förster der Umstand, dass wir beispielsweise wegen des Klimawandels mit verschiedenen sogenannten fremdländischen Baumarten experimentieren; und mit Verlaub: Warum sollte ich dann nicht die Frage stellen dürfen, ob vielleicht mit einer anderen Tierart genauso experimentiert werden muss? Wenn mache fremdländischen aber standortsgerechte Baumarten eventuell eine Lösung sind, warum könnten es dann nicht eventuell auch nichtheimische Tierarten sein? Wissen wir das

Wir müssen im Denken ein bisschen offener werden. Deswegen sage ich nach den vielen Debatten der letzten Jahrzehnte: Solange es keine negativen Einflüsse gibt, und es deutet momentan nichts darauf hin, denn wir haben in der Prignitz nach jetzigem Stand keinen Anstieg von Wildschadensmeldungen der Forstbetriebe, dann gibt es auch keinen Anlass für Aktionismus.

Und solange eine solche Grundlage nicht da ist, möchte ich meiner Verantwortung erst einmal nachkommen indem ich ein Monitoring initiiere. Und wenn wir dann valide Zahlen haben und uns auf Basis von Fakten eine Meinung bilden können, dann können wir die Debatte weiterführen. Aber jetzt in einen luftleeren Raum zu diskutieren, halte ich für gewagt und es entspricht nicht der Art, wie wir in Brandenburg Politik gestalten.

Das klingt sehr spannend – so habe ich das aus der Politik noch nie gehört.

Ja. Es ist leider so, dass wir es uns in der Republik angewöhnt haben, die meisten Fragen aus diesem Bereich aus einer fast dogmatischen Sichtweise heraus zu diskutieren. Das kann man machen, nur ich habe die Erfahrungen gemacht: Wo es die eine dogmatische Sichtweise gibt, da gibt es immer auch das gegenseitige Dogma. Und ob man dann damit weiterkommt, weiß ich nicht. Ich möchte zumindest den Versuch wagen, auf Basis von Fakten zu diskutieren. Das ist auch nicht unbedingt einfach. Aber dafür haben wir ja beispielsweise den Landesjagdbeirat in Brandenburg. Deshalb habe ich dies Entscheidung auch erst nach einem sehr langen Gespräch mit dem Vorsitzenden des Beirats, der auch Wildtierbiologe ist, getroffen. Und wir waren uns einig in der fachlichen Bewertung. Daher halte ich einen entspannten Umgang mit dem Sikawild für den richtigen Weg.

Das Interview führte Kim Jochen Trautmann

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