Ist der Rothirsch in Gefahr? Inzucht nimmt beim größten heimischen Landsäuger massiv zu. Die Infrastruktur erschwert die Partnersuche für die Tiere. Die Folge: Genetische Verarmung beim Rotwild – auch Missbildungen sind inzwischen keine Seltenheit. Der Deutsche Jagdverband informiert über die Probleme des Rotwilds – und stellt klare Forderungen.
Rotwild in Deutschland: Genetische Verarmung durch menschliche Infrastruktur
Fehlende Augen, verkürzte Unterkiefer oder sogar schwere Verformungen des gesamten Körpers: Der Rothirsch leidet in Deutschland immer mehr unter Inzucht – und das ist immer häufiger durch Missbildungen sichtbar. Inzwischen sind die ermittelten genetischen Werte in vielen Rotwild-Populationen so, als würden sich Halbgeschwister paaren. Was unter Menschen aufgrund der genetischen Gefahr als illegal gilt, ist bei den Rothirschen mittlerweile also bedauerlicher Standard.
Als Hauptursache dafür nennt der DJV die Lebensraumzerschneidung durch Verkehrswege und Siedlungen. Dies erschwert den Tieren die Partnersuche ungemein. Die Folge: Die Populationen bleiben immer mehr unter sich. Und das hat gravierende genetische Konsequenzen. Bei dem 2. Zukunftsforum Rotwild des Landesjagdverbands Schleswig-Holstein, welches am 7. Mai 2025 stattfand, diskutierten Expertinnen und Experten über mögliche Lösungen. Auch der DJV war als Kooperationspartner dabei. Die Verbände sind sich dabei einig: Es muss etwas passieren. Sie fordern unter anderem mindestens 100 Querungshilfen über Verkehrswege bis 2030 sowie störungsfreie Wanderkorridore.
Hilfe für die Rothirsche? DJV stellt Forderungen
In den vergangenen beiden Jahren gab es immer mehr dokumentierte Fälle von schweren Missbildungen beim Rothirsch. Eine genetische Studie der Universität Göttingen bestätigt diese fatale Entwicklung: Dr. Katharina Westekemper fand in diesem Zuge heraus, dass nahezu alle deutschen Rotwildpopulationen hohe Inzuchtwerte aufweisen und innzwischen weitgehend voneinander isoliert sind. Das Problem, welches früher lediglich einzelne, lokalen Populationen betraf, betrifft also nun das Rotwild in ganz Deutschland.
Dabei sind die Folgen der genetischen Armut schwerwiegend: Die gesamte Population ist anfälliger für Krankheiten, auch die Fruchtbarkeit sinkt. Außerdem leiden immer mehr Tiere an Missbildungen.
Der LJVSH und der DJV haben drei Kernforderungen, um schnellstmöglich Abhilfe zu schaffen:
- Bis 2030 müssen mindestens 100 Querungshilfen über Verkehrswege hinweg gebaut werden. Das bestehende Bundesprogramm Wiedervernetzung muss konsequent und zügig umgesetzt werden. Denkbar wäre auch eine Förderung über das Sondervermögen Infrastruktur. Funktionierende Querungshilfen sind für Wildtiere der Passierschein in die Zukunft.
- Wanderkorridore für den Rothirsch müssen erhalten oder wiederhergestellt werden. Dabei müssen Klima- und Artenschutz gemeinsam gedacht werden – auf allen Planungsebenen: Solarparks dürfen zum Beispiel unter keinen Umständen auf Wanderkorridoren entstehen.
- Rotwild muss sich Lebensräume und Wanderkorridore eigenständig erschließen dürfen. Das ist wichtig für den genetischen Austausch und damit für das Überleben der Art. Als Planungsinstrument muss die Wildökologische Raumplanung eingesetzt werden.