Wald vor Wild in Schottland? Die Jagd in den Highlands

Bildschirmfoto 2025-07-03 um 12.47.41

Jagd in Schottland? Hirsch und Highlands gehören zusammen wie Butter und Brot. © Fotos: Sven-Erik Arndt

Die Highlands werden von einem regelrechten Baumpflanz- und Abschussfieber heimgesucht. NIALL ROWANTREE berichtet aus erster Hand über die Motive.
Schottland ist noch immer Traumreiseziel vieler deutscher Jäger. Doch geht es dem Rotwild hier mittlerweile immer öfter an den Kragen. Manche Unternehmen in den schottischen Highlands haben mit Aufforstungsmaßnahmen begonnen und schreien anschließend nach Totalabschuss. Doch was sind die tatsächlichen Ursachen?

Die Jagd in Schottland: Was hat sich getan?

Während der Jahre 1890 bis 1930 hat sich die Zahl der Jagdestates mehr als verdreifacht. Ihren Höhepunkt erreichte diese Entwicklung vor 20 Jahren. Dann gab es in den 80er- und 90er-Jahren Regularien, Wald zu pflanzen, und viele Estates begannen damit. In den letzten 10 Jahren ging es dann in großen Schritten zum großflächigen Pflanzen von Wald über. Die Hauptargumente der Befürworter sind Kohlendioxidspeicher, Habitatrenaturierung und der fortschreitende Biodiversitätsverlust. Ein entscheidender Faktor dafür, dass vor allem in den Highlands aufgeforstet wird, ist, dass Land in den Highlands wesentlich günstiger ist als anderswo in Schottland oder dem UK.

Schottland ist hier insofern besonders, als dass es Privatpersonen möglich ist, große Flächen zu besitzen. Viele führen diese Entwicklung auf die Enteignung der schottischen Clans zurück. Ein Stück weit kann man die Renaturierung der Landschaft auch als eine Form des Sozialismus sehen. Die Leute versuchen, ihr Land aufzuforsten und für sich in Besitz zu nehmen.

Wie will man die Geschichte zurückdrehen?

An den ganzen Renaturierungsmaßnahmen ist die große Frage, auf welchen Zeitpunkt in der Geschichte man die Landschaftsentwicklung zurückdrehen will. Denkt man 10.000 Jahre zurück, so lag Schottland noch komplett unter Eis. Will man stark bewaldete Landschaften schaffen, so versetzt man Schottland in eine Zeit, die rund 6.500 Jahre zurückliegt.

Zudem muss man sich die Frage stellen, ob sich die aufgeforsteten Standorte überhaupt für die Forstwirtschaft eignen. Oftmals handelt es sich hierbei um schlechte Böden und Moore. Dass Forstwirtschaft in Deutschland und Österreich eine andere Geschichte hat und auch ein anderes Verständnis vorherrscht, ist klar. Die Wälder und Aufforstungen auf schottischem Boden werden nie dieses Maß an Produktivität erreichen. Allerdings ist ein großer Teil im Norden Schottlands beispielsweise von Moor- und Sumpfflächen bedeckt, die extrem große Mengen an Kohlendioxid speichern können – wahrscheinlich deutlich mehr als ein Großteil der Wälder Nordeuropas. Oft wären die Moore und Sümpfe besser als CO₂-Speicher geeignet, wenn man sie als Moorflächen beließe und keine exotischen Baumarten darauf pflanzte.

Welche negativen Einflüsse hat die Jagd für das Wild in den umgebenden Regionen?

Es gibt eine sehr enge Verbindung zwischen Deutschland und Schottland. Deutsche haben schon immer in den schottischen Highlands auf Rotwild gejagt, zudem ist das Gälische eng mit dem Deutschen verwandt. Die Zeit des englischen „Deer Forest“ kam zustande, als die englische Königin einen deutschen Prinzen heiratete. Dass sie in den Highlands gerne jagten, verhalf der Jagd und dem Deer Stalking in den schottischen Highlands zu dieser enormen Popularität.
Es geht dabei um das Erlebnis, die Erfahrung, in den Bergen auf wildlebendes Wild zu jagen – es geht nicht um Trophäen. Was wir jetzt erleben, ist ein radikaler Abschuss des Rotwildes auf einigen Estates. Um die Jagd in den Highlands ausüben zu können, brauchen die Estates ca. 8 Hirsche pro Quadratkilometer. Die Ökofraktion versucht, eine Dichte von 2 Stück Rotwild pro Quadratkilometer zu erreichen. Hier liegt im Wesentlichen der Konflikt.

Die großen Probleme in der Folge sind – und daran arbeiten wir momentan – das soziopolitische Element der Highland Estates. Die Zahl des Rotwildes in den Highlands nimmt über die letzten 10 Jahre ab. Die Aussage, dass die Rotwildbestände außer Kontrolle geraten sind, ist für die offenen Bergreviere der Highlands allerdings schlicht nicht wahr.

Problematisch ist hingegen, dass die Vergrößerung der Anpflanzungen das Habitat des Rotwildes beschneidet. Hinzu kommt, dass Rehwild und vor allem das Neozoon Sikawild Schäden verursachen. Je mehr nicht heimischer Wald angepflanzt wird, desto mehr profitiert das Sikawild. Das Rotwild in den Highlands hat Vorfahren im ganzen UK, die genetische Vielfalt ist folglich weniger ein Problem als die Hybridisierung mit der gebietsfremden Art Sikawild, die hier überhaupt nicht hingehört.

Auf manchen Estates ist die Rotwilddichte hoch, auf anderen wurde das Wild fast ausgerottet.

Auf manchen Estates ist die Rotwilddichte hoch, auf anderen wurde das Wild fast ausgerottet.

Zu viele Hirsche, zu wenig Holz?

Es gibt Regionen, in denen es viel Rotwild gibt, aber meist gibt es auch ein menschliches Interesse, diese Bestände zu erhalten. Das ist überall in Europa gleich. Also mag es einzelne Reviere geben, die zu hohe Bestände haben. Wenn es zum Konflikt mit den Nachbarn kommt, ist das oft Anlass verstärkter Bejagung. Wenn man also Naturverjüngung gewährleisten möchte und es auch natürlichen Anflug gibt, hat man geringe Chancen, wenn mehr als 5 Hirsche pro Quadratkilometer vorkommen. Aber es gibt auch Estates mit mehr als 8 Stück Rotwild pro Quadratkilometer, auf denen die Naturverjüngung gut wächst.

Die Aussage, dass es in Schottland über eine Million Stück Rotwild gibt, ist schlichtweg nicht wahr. Ein größeres Problem, das ich derzeit sehe, haben wir mit den feral pigs, den verwilderten Hausschweinen. Diese zeigen zwar einige Schwarzwild-Charakteristika, haben aber auch Hausschweinegene. Die Umweltfraktion denkt, das sei eine gute Entwicklung, „während der Rest Europas mit dem Kopf schüttelt und sich fragt: Wisst ihr, was ihr da tut?“
Rewilding entwickelt sich weg von der Wissenschaft, hin zur Religion. Der Glaube ist, dass die Sauen das Land kultivieren und für besseren Aufwuchs sorgen. Das Spannende ist, dass wir die Lektionen unserer anderen europäischen Nachbarn nicht lernen wollen. Derzeit sind es mehr als 6.000 feral pigs.

Der Einfluss schlechter Jagd-Strategien

Das meiste Rotwildmanagement ist reaktiv anstatt proaktiv, und das beobachte ich überall in Europa. Man sollte Schaden im Vorfeld verhindern. Wenn wir in offenem Land neuen Wald pflanzen, werden intelligente Säugetiere wie das Rotwild immer daran knabbern. Ein Stück weit ist das Problem aber auch von der Perspektive abhängig. Der Schaden ist eine Frage unserer Sichtweise. Rotwild wird immer junge Bäume fressen. Rotwild und Wald haben sich gemeinsam entwickelt. Die leben seit Jahrhunderten zusammen. Wie wir unsere Ressourcen nutzen – und unsere Gier nach Ressourcen – definieren Schaden. Wir schauen einen Berghang oder einen Bach an und sagen: Das muss Wald sein.

Der Rückgang des Rotwildes hat im ländlichen Raum sehr gravierende Folgen für die lokale Bevölkerung und die Wirtschaft in den Highlands.
Die meisten Estates wurden nicht für Profit und Rentabilität gebaut und bewirtschaftet, sondern um zu zeigen, was sich erfolgreiche Unternehmer leisten können.
Für die fragilen, ländlichen Wirtschaften war das der Stützpfeiler, dass dort Gamekeeper gebraucht sowie Stellen für Stalker und andere Jobs geschaffen wurden. Verschwindet das Rotwild, bricht auch die Wirtschaft in den Highlands zusammen, da sich diese zum Großteil auf Jagdgäste stützt.

Das Rotwild hat eine Zukunft!

Ich denke, das große Problem ist, dass Jäger in modernen Gesellschaften nicht sonderlich populär sind. Und die moderne Gesellschaft gründet all ihre Meinung auf Social Media. Jäger und traditionelle Landmanager haben durch den gesellschaftlich geringen Stellenwert der Jagd bereits ihren sozialen Status und ihr Einkommen verloren. Um dem Rotwild eine Zukunft gewährleisten zu können, müssen wir das Rotwild als faszinierenden, essenziellen Teil des Ökosystems verstehen – und eine Akzeptanz dafür schaffen, dass es total normal und in Ordnung ist, einen Hirsch zu erlegen und der Natur das gesunde Wildfleisch zu entnehmen.

Wir müssen das neu angehen, denn das ist Teil unserer Entwicklungsgeschichte und Teil unserer Identität. Die meisten unserer Vorfahren haben durch Hirsche überlebt, haben sie gegessen, haben Hirschfell getragen. Wir haben diese Beziehung zum Wild und zur Natur in einer modernen Gesellschaft verloren.
Sollen das Rotwild und die Jagd eine Zukunft haben, müssen wir alles dafür tun, dass dieser Bezug zur Natur und zum Wild auch gesellschaftlich ein Revival erlebt.

Auch interessant