Sikawild: Zu den Ursprüngen und der Hege der besonderen Wildtiere

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Scheu, schlau und für ihr Pfeifen im Unterholz bekannt: Das Sikawild. © Lara Hörbelt

Scheu, schlau und für ihr Pfeifen im Unterholz bekannt. Wie Sikawild ins Sauerland kam und weshalb sich die Bestände gut entwickeln, hat uns der Vorsitzende der Hegegemeinschaft Arnsberger Wald, WOLFGANG KRENGEL, verraten.

Redaktion: Worauf gehen die Ursprünge des Sikawildes im Arnsberger Wald zurück?

Wolfgang Krengel: Die Ursprünge des Sikawildvorkommens im Arnsberger Wald gehen auf den 800 Hektar großen Wildpark des Freiherrn Conrad von Donner in der Nähe des Möhnesees zurück. Im Jahr 1880 wurden die ersten Zäune errichtet, es wurden Wiesen angelegt, Eichen gepflanzt, und 1893 fanden, neben vielen exotischen Tierarten, sechs Stück Sikawild dort ihre Heimat. Die Sikahirsche stammten aus dem Besitz der Hamburger Familie Hagenbeck. Bereits 1926 bevölkerten schon rund 270 Stück Sikawild, zusammen mit 50–70 Stück Rotwild, den Park.
Zur damaligen Zeit waren die Bäume im Park vom Rotwild geschält, nach den historischen Aufzeichnungen traf das Sika keine Verantwortung. Der Park wurde schließlich verkauft und von Herrn von Opel erworben. Wenig später kam es zu Schneebruch, der Zaun wurde beschädigt und die ersten Tiere gelangten in die Freiheit. Von da an lebte Sikawild innerhalb und außerhalb des Parks. Der Bestand im Park betrug 1942 bereits 307 Stück. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Park dann aufgelöst.

Wie haben sich die Bestände in den letzten Jahren entwickelt?

Nach der Auflösung des Parks gelangten die verbliebenen Tiere in die Freiheit und siedelten sich bald im gesamten Umland des Möhnesees an. Da die kleinen asiatischen Hirsche sehr genügsam sind und geringe Ansprüche an den Lebensraum stellen, fiel ihnen dies recht leicht. Ihre Präferenz für Laub- und Nadelmischwälder sowie Feuchtstandorte, Erlenbrüche beispielsweise, macht den Arnsberger Wald zudem zum optimalen Habitat – die Bestände stiegen. Die großen Sturmereignisse und der Windwurf infolgedessen sowie die Schäden durch Hitze und Borkenkäfer haben den Lebensraum für die Sika sogar noch erheblich verbessert, und die Reproduktion stieg. Punktuell sind die Bestände auf über 16–18 Stück auf 100 Hektar angestiegen. Durch Schäden an den ohnehin schon gebeutelten forstlichen Kulturen und aufgrund der Tatsache, dass die Sika sich bereits an Vorgärten und im Ort bedienten, war und ist eine stärkere Bejagung unerlässlich.

Was uns bei der Regulierung der Sikabestände sehr stark zurückgeworfen hat, war das Vorgehen der grünen Ära-Remmel mit ihrem ökologischen Jagdgesetz. Mit radikalen Freigaben und Aufhebung der Abschusskriterien dachte man, die Zahl der Stücke regulieren zu können. Da allerdings annähernd gleich viele männliche und weibliche Stücke erlegt wurden, stiegen die Bestände in den Folgejahren nochmals deutlich an.

Welche Auswirkungen hat die stärkere Bejagung für den Bestand?

Während der letzten Jahre sind die Strecken von Jahr zu Jahr deutlich angestiegen. Lag die Zahl der erlegten Sika im Jagdjahr 2011/2012 noch bei 590 Stück, so betrug sie im Jahr 2022/2023 1.822 – und das ohne die Freigebiete außerhalb der Hegegemeinschaft. Das Geschlechterverhältnis der erlegten Stücke liegt bei 1 zu 2,8 Hirschen im Verhältnis zu Kahlwild und Hirschkälbern. Zu den Streckenergebnissen kommt zudem noch die Frühjahrstaxation mit Wärmebildkamera und Scheinwerfern, die dazu beiträgt, das Sikavorkommen besser einschätzen und die Bejagung dementsprechend steuern zu können.
Während die Zählungen dabei in den letzten Jahren recht konstant waren, rechnen wir in diesem Jahr mit einem leichten Rückgang, der den Erfolg der Bejagungsstrategie bestätigen würde. Derzeit besteht, nach Absprache der Hegegemeinschaft mit den Unteren Jagdbehörden Soest und HSK, die Möglichkeit, beim weiblichen Sikawild den Abschuss ohne zusätzlichen Antrag um bis zu 50 % erhöhen zu dürfen. Dies soll den Druck durch Verbiss und Schäle von den forstlichen Flächen nehmen und einen etwas geringeren Sikabestand ermöglichen.

Inwiefern sind Inzest und mangelnde genetische Diversität beim Sikawild ein Problem?

Derzeit sind mir keine derartigen Probleme beim Sikawild im Arnsberger Wald bekannt. Es kommen nicht beide Sikaarten, sondern ausschließlich Cervus nippon nippon vor. Grundsätzlich zieht das Sikawild nicht so weit wie beispielsweise das Rotwild. Dass ein großer Austausch mit weiter entfernten Gebieten stattfindet, halte ich für eher unwahrscheinlich. Was hingegen aktuell auffällt, ist, dass bei hoher Wilddichte die Kälbergewichte recht gering ausfallen. Auch darum sollte der Bestand etwas niedriger sein als aktuell.

Wie vertragen sich Rot- und Sikawild hinsichtlich des Risikos der Verpaarung?

Bislang sind mir keine Fälle aus dem Arnsberger Wald bekannt, bei denen wissenschaftlich bewiesen ist, dass sich Rot- und Sikawild erfolgreich verpaart haben. Im Gegenteil ist eher zu beobachten, dass das Rotwild nach Möglichkeit versucht, dem Sika auszuweichen. Die kleinen asiatischen Hirsche scheinen dem Rotwild zu hektisch und unruhig zu sein. Umgekehrt bekundet durchaus einmal ein Sika durch lautes Pfeifen Interesse am Rotalttier, wenn er hört, dass in der Nähe Brunftbetrieb herrscht. Allerdings gehen sich die beiden Wildarten meist aus dem Weg, da zudem auch noch Nahrungskonkurrenz herrscht.

Strecke vom Sikawild im Arnsberger Wald. © Redaktion

Auf welcher Gesamtfläche wird das Sikawild im Arnsberger Wald bewirtschaftet?

Die Kernbereiche der Bewirtschaftung umfassen 19.000 Hektar, auf den restlichen Flächen der Hegegemeinschaft kommen nur Rot-, Schwarz- und Rehwild vor. Das Sikawildvorkommen erstreckt sich in den Grenzen von Niederense bis Günne, am Südufer des Möhnesees, in den Grenzen Möhne, B55, L735, entlang der Ruhr bis Neheim und der östlichen Bebauungsgrenze von Neheim-Hüsten. Gerade im Zentrum des Sikavorkommens Arnsberger Wald kommt wenig bis kein Rotwild vor.

Welche Herausforderungen gibt es waldbaulich?

Nach den einschneidenden Sturmereignissen wie „Friederike“, die für das Sikawild erhebliche Äsungsverbesserung brachten, aber viele Flächen zerstörten, stellt aktuell die Hitze das größte Problem dar. Anfällig für den Borkenkäfer, sind bereits große Teile des Fichtenwalds dem Käfer zum Opfer gefallen und mussten aus der Fläche geholt werden. Allein im Sikawildverbreitungsgebiet betrifft das rund 10.000 Hektar, die jetzt zum Großteil neu aufgeforstet werden müssen. Um die Maßnahmen erfolgreich gestalten zu können, wird mit klimastabilen Baumarten wie Douglasie, Europäischer Lärche, Kiefer, Kastanie, Eiche oder Esskastanie aufgeforstet. Um diese kostenintensiven Maßnahmen durchführen zu können, sind enorme Anstrengungen erforderlich. Das heißt, dass sie auch im Einklang mit dem Wildbestand passieren müssen – da müssen Waldbauern und Jäger an einem Strang ziehen, um den Erhalt der Wildart und die Akzeptanz dafür zu gewährleisten.

Zudem muss für die Zukunft geplant werden, denn die riesigen Verjüngungsflächen werden binnen weniger Jahre unbejagbar sein. Es gilt, jetzt rechtzeitig zu planen, Schneisen anzulegen und diese auch langfristig freizuhalten. Mit der Verjüngung entsteht ein gigantischer Dschungel mit reichlich Äsung und Einstand, der den Sikabestand erneut in seinem Wachstum anschieben wird. Mittlerweile werden auch Verbissgutachten erstellt, bei denen allerdings nicht nach Wildart differenziert werden kann, ob es sich nun um Verbiss durch Sika-, Rot- oder Rehwild handelt.

Sollte man diese Wildart auf einem noch größeren Areal bewirtschaften, um den Sozialstrukturen der Sika gerecht zu werden?

Es gab vor Jahren bereits die Bestrebungen, das Bewirtschaftungsgebiet für Sikawild zu erweitern, die allerdings auf den Widerstand der Waldbesitzer stießen. In Anbetracht der großen waldbaulichen Ausfälle ist dies durchaus nachvollziehbar.

Welche Kriterien sieht der Abschussplan in den einzelnen Altersklassen vor?

Wir jagen beim Sikawild nach den Altersklassen und nicht nach spezifischen Merkmalen der Trophäenbildung. Das heißt, wir unterscheiden in junge, mittelalte und alte Hirsche. Zudem wird ein körperlicher Nachweis in Form der Vorlage der Trophäe sowie des Unterkiefers verlangt. Der Unterkiefer muss auch beim Kahlwild vorgelegt werden.

Was die Jagdzeiten anbelangt, so findet eine Frühjahrsbejagung der Schmaltiere und Schmalspießer im Mai statt. Beim Rotwild erachte ich diese Vorgehensweise nicht für sinnvoll, bei den derzeit hohen Sikabeständen ist sie ein geeignetes Mittel. Die reguläre Jagdzeit beginnt am 01.08. und geht bis zum 31.01. Für den körperlichen Nachweis arbeiten wir bereits an einer digitalen Lösung, sodass die Erlegungen unkompliziert per App gemeldet werden können.

Welche Zukunft haben die Sika?

Beim gesamten Umgang mit dem Sikawild im Arnsberger Wald hat sich gezeigt, dass eine gute Zusammenarbeit extrem wichtig ist. Und mittlerweile funktioniert diese zwischen der Hegegemeinschaft, den Waldbesitzern, dem Landesforst und den unteren Jagdbehörden sehr gut. Das setzt natürlich Verständnis und Kompromisse auf allen Seiten voraus, aber nur so hat diese faszinierende Wildart gute Chancen auf einen dauerhaften Fortbestand und einen guten Lebensraum im Arnsberger Wald. Schaffen wir Akzeptanz und Lösungen auf beiden Seiten, so dürfte dies eines der besten Beispiele dafür sein, dass Wald mit Wild auch in einer stark frequentierten Tourismusregion wie dem Möhnesee funktioniert.

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