Autor HARTWIG GÖRTLER erzielt Erfolge wie weniger Verbiss, weniger Fegeschäden und stärkeres Wild. Wie er dabei vorgeht, verrät er im Folgenden.
Jagd oder Wildmanagement können so umgesetzt werden, dass eine Abwägung der Belange unserer heimischen Schalenwildarten kein bloßes Lippenbekenntnis bleibt. „Die bewusste Rücksichtnahme auf Wildtiere, die tiergerechte Jagd, ist (…) beschreib- und messbar“, so heißt es bei der Deutschen Wildtierstiftung. Und ja, die Wildschäden nehmen deutlich ab. Das Wild selbst nimmt an Masse zu – sowohl am Körper als auch in der Trophäe. Gutes, durchdachtes Wildmanagement hilft damit beiden: Wild und Wald. Wie wir dies bei uns im Revier umsetzen, möchte ich Ihnen im Folgenden erläutern.
Bockjagd: Abschussplan-Bingo hilft nicht
Es reicht leider nicht, einfach so zu jagen, dass man die – je nach Sichtweise im Abschussplan erlaubte oder vorgeschriebene – Strecke erreicht. Fünf Böcke? Habe ich. Richtig gute Gehörnträger sogar. Zehn Ricken und Schmalrehe – na ja, sieben tun es auch. Und zehn Kitze, da stehen 13 in der Streckenliste. Natürlich weibliche, Bockkitze wurden geschont.
Geschossen über das ganze Jahr im Feld, da hat man gut vor und kann sauber ansprechen. Wobei es im Juli echt schlecht lief. Gesamtstrecke 50. Ist = Soll. Passt doch? Nein, das passt leider gar nicht. Es wird weder der Wildbiologie gerecht noch dem Anspruch, den wir Jäger an uns und die Natur haben sollten. Das Resultat sind nicht nur Alters- und Geschlechtsstrukturen, die von Jahr zu Jahr weniger passen – auch Verbiss- und Fegeschäden sind meist höher, als sie sein müssten. Und das Wild ist schwächer, als es sein könnte – sowohl im Wildbret als auch in der Trophäe, die schlussendlich auch nur ein Anzeiger des Gesamtzustands des Wildtieres ist.
Die Frage: Was, wann und wo erlegen?
Zunächst muss ich mir ein Bild der Alters- und Geschlechterstruktur im Revier machen. Wo geht der Platzbock? Wie alt ist er? Wie schaut es mit potenziellen Nachfolgern aus? Hieraus leitet sich direkt eine Abschussplanung ab: Mehr als einen Platzbock braucht es nicht je Einstand – und das sind plus/minus 120 Hektar. Der Platzbock darf gerne sechs Jahre alt sein, bevor er als reifer Bock erlegt wird. Folglich braucht es dann einen, maximal zwei gute Böcke, die ihn beerben können – diese Erben gilt es zu finden und zu schonen. Sie sollten um drei bis vier Jahre alt sein, wenn der Alte erlegt wird. Darunter braucht es eine klassische Alterspyramide – aber keine Massen: ein halbes Dutzend junge 6er, die ich in den Folgejahren weiter selektiere. Schwache Gabler können entnommen werden, ebenso wie die schwachen Jährlinge. Und bei den Kitzen sollte durchaus beherzt eingegriffen werden.
Die genannten Zahlen können natürlich je Revier etwas variieren und beziehen sich auf die genannten 120 Hektar. Selbiges gilt für die Ricken. Sie müssen nicht stehen bleiben, bis sie alt und ihre Decke schalfarben ist. Auch hier hilft ein guter Überblick im Revier, eine saubere Planung der Altersstrukturen – von der Ricke über das Schmalreh zum Kitz. Ziel sollte auch beim weiblichen Wild eine zum Alter hin spitz zulaufende Pyramide sein. Erste Erfolge zeigen sich schnell: Speziell die Fegeschäden werden rasch abnehmen, denn der Platzbock muss seinen Einstand viel weniger markieren, weil er weniger Konkurrenzdruck hat.
Und noch ein Bonus: Mit einer gut durchdachten und stringenten Bejagung des weiblichen Wildes wird es auch mit der Blattjagd besser klappen. Der Platzbock hört nun den Fieps einer unbeschlagenen Ricke, ist nicht mehr mit „seinem“ Sprung beschäftigt und hat immer noch Energie – sodass er besser aufs Blatt springen wird.
Wann Bockjagd? Aktivitätszeiten
Dr. Robin Sandfort von der BOKU in Wien hat in seinen letzten Arbeiten sehr anschaulich dargelegt, wie wichtig und effektiv es ist, die Bejagung des Rehwilds an dessen Aktivitäts- und Ruhezeiten auszurichten. Kurz zusammengefasst: Es ist ein wichtiger Faktor für die körperliche Entwicklung des Rehwilds und reduziert ebenfalls Verbiss. Ganz nebenbei ist es auch eine einleuchtende Erklärung dafür, dass man zu manchen Zeiten im Jahr ansitzen kann, so oft man will – und einfach kein Reh zur Strecke kommt.
Rehwild hat Aktiv- und Ruhephasen. In Aktivitätsphasen tritt es im gewohnten Rhythmus aus, um zu äsen. In den Ruhephasen ist es eher heimlich und regeneriert. Abgesehen davon, dass man in dieser Zeit deutlich weniger Anblick hat, verhindert ein starker Jagddruck diese Regeneration – und ist damit doppelt kontraproduktiv. Mit diesem Wissen ist es sinnvoll, seine Bejagungsstrategie an diese wechselnden Phasen anzugleichen.
Wald wichtiger und richtiger als Feld
Auch als klarer Verfechter von „Wald MIT Wild“ ist es nicht von der Hand zu weisen, dass Rehwild naturgemäß eher im Wald Schaden macht als in der Feldflur. Hier schlagen Verbiss- und Fegeschäden mehr durch als im Feld. Von daher ist es nur richtig, Rehwild gerade im Wald gut geplant, aber konsequent zu hegen.
Natürlich ist es im Feld leichter: Man hat weitere Sicht, mehr Zeit zum Ansprechen. Hier ist es auch leichter, seinen Abschuss zu planen, denn die Bestandsstrukturen sind sichtbarer und damit übersichtlicher. Aber nur weil es hier leichter ist, bedeutet das nicht, dass man es im Wald nicht braucht oder gleich lassen kann. Auch wenn hier immer wieder Wild auftaucht, das man zuvor noch nie gesehen hat – es ist die berühmte Ausnahme von der Regel. Und ich kann anhand der Bejagungsstrategie ableiten, ob ich schonen oder schießen soll. Besser gut geplant mit eventuellen Ausnahmen als planlos.
Alternative Nahrungs- und Äsungsangebote
Auch Äsungsangebote gehören zur Hege und zur Abschussplanung. Sie geben mir die Chance, das Wild dahin zu lenken, wo ich es möchte – dorthin, wo es auch im Wald sichtbarer wird. Lenkung durch Nahrung. Hier bringen – gerade im Wald – schon kleine Maßnahmen einen großen Erfolg: zum Beispiel der Erhalt von Kleinfreiflächen, die als Wildäsungsfläche genutzt und entsprechend bewirtschaftet werden. Gespickt mit einer Salzlecke, wird eine solche Fläche schnell zum Wildmagneten. Es hilft auch, sonnige Bachläufe freizuschneiden und deren Ränder aufzuwerten.
Im Feldbereich eignen sich Wald- und Heckenränder ebenso wie klassische Wildäcker. So schaffe ich nicht nur Äsungsangebot und ziehe das Wild von „Problemzonen“ weg – ich kann es hier sehen, ansprechen und später auch erlegen. Aber Vorsicht: Äsungsflächen bloß nicht zum Jagdschwerpunkt verkommen lassen – das Rehwild merkt das schnell und wird die Fläche meiden.
Biotop-Hege: Gestaltung und Pflege von Waldrändern
Gerade in Gegenden mit hohem Besucherdruck ist die Gestaltung und Pflege von Waldrändern ein wichtiges Werkzeug. Es gibt dem Wild Einstand, Deckung und Äsung. Zudem kann es hier sicher austreten. Ideal ist ein dreistufiger Aufbau: Wald – Hecke – Wildacker mit hohem Bewuchs.
Bei der Gestaltung der Hecke kann man sich – je nach Lage und Beschattung – ziemlich kreativ austoben. Gerne stachelig: Schwarzdorn, Weißdorn, Schlehe oder Holunder eignen sich. Ein paar Wildobstsorten, Himbeere und Brombeere sollten ebenfalls nicht fehlen. Davor ein Wildackerstreifen, ein bis zwei Meter breit, mit Senf, Raps, Ölrettich, verschiedenen Kleesorten – mehr braucht es nicht. Und kaum ein Waldbesitzer wird etwas dagegen haben, solange es ihn nichts kostet und es gut für seinen Wald ist.
Auswirkungen der Bockjagd auf das Wild
Neben dem Rückgang von Verbiss- und Fegeschäden hat dieses Modell auch durchweg positive Auswirkungen auf das Wild selbst. Von Andersen (2000) ist bekannt, dass weibliches Rehwild in guter körperlicher Konstitution und in einem passenden Habitat einen 40 Prozent höheren Reproduktionserfolg aufweist. Die Ricken setzen vermehrt Zwillingskitze, weil die Wilddichte wieder zum Revier passt. Der Körper nimmt an Masse zu. Die Trophäen werden stärker. Reviere, in denen das Rehwild nach der oben geschilderten Art selektierend und über Jagd- und Ruhemodelle bewirtschaftet wird, können einen deutlichen Zuwachs an Körpermasse und Trophäenstärke verzeichnen.
Die Deutsche Wildtierstiftung bewirtschaftet das Gut Klepelshagen nach diesem Modell – und die dort gewonnenen Resultate kann ich im eigenen Revier bestätigen: Nach fünf Jahren ist das durchschnittliche Körpergewicht des Rehwilds um 16 Prozent gestiegen, das der Trophäen je nach Jagdboden um 15–20 Prozent. Die hier aufkommenden Abweichungen führe ich auf die unterschiedlichen Besucherdichten und den damit verbundenen Stress zurück.
Resümee
Planung der Rehwildhege ist essenziell. Allein die – an die Aktivitäts- und Ruhezeiten des Rehwilds angepasste – Bejagungsstrategie hat einen sehr hohen Einfluss auf den Jagderfolg und zugleich auf die Entwicklung der Population. Schaffe ich zudem noch Nahrungs- und Äsungsangebote sowie Rückzugs- und Ruhebereiche, ist es mit geringem Aufwand möglich, Rehwild sauber zu hegen und zugleich negative Einflüsse auf den Wald zu minimieren.