Ermittlungen gegen Jäger aus Sittensen eingeleitet

Totschlag, Notwehr oder Notwehrexzess? Der Rentner Ernst B. traf den Einbrecher Labinot S. mit einem Schuss aus seiner Fangschusswaffe
tödlich – in den Rücken. Es verdichten sich die Anzeichen, dass er dabei
trotzdem straffrei ausgeht.

Nachdem sich die verbliebenen vier Einbrecher von Sittensen am gestrigen Tage der Polizei gestellt hatten, hat die Staatsanwaltschaft nun damit begonnen, die Ermittlungen gegen das Überfallopfer Ernst B. einzuleiten. Dabei gilt es zu klären, ob dieser in Notwehr gehandelt hat, als er den 16 Jahre alten Deutsch-Albaner Labinot S. mit einem Schuss aus seiner Kurzwaffe tötete. 

Die Hinweise verdichten sich, dass es sich hierbei um einen eher selten auftretenden „Notwehrexzess“ handeln könnte. Das Strafrecht versteht darunter eine unverhältnissmäßige Tat, die aber durch große Angst, Furcht und Verwirrung legitimiert werden kann. 
 Staatsanwalt Kai-Thomas Breas räumte ein, dass es kaum Zweifel gäbe, dass der an Krücken laufende Ernst B. sich „echt bedroht fühlte.“ 
Der getötete Deutsch-Albaner, galt trotz seines jungen Alters als „äußerst gewaltbereit und bewaffnet“, so Breas weiter. Dass die Polizei in der Nähe der Villa von Ernst B. eine täuschend echt aussehende Soft Air Pistole fand, untermauert die Furcht des passionierten Jägers, der gegenüber der BILD-Zeitung erklärte: „Ich habe gedacht, die bringen mich um.“
Dass der Schuss aus etwa zehn Metern abgegeben wurde und den 16 Jahre alten Labinot S. dabei in den Rücken traf, bedeutet laut Staatsanwalt Breas nicht automatisch ein Totschlagsdelikt: „Trotz des Schusses in den Rücken kann es eine Notwehrlage gewesen sein.“ 
Unser Strafrecht beschreibt Notwehr als „die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.“ Genau hier nun setzen die Ermittler an, denn es bleibt zu klären, ob Ernst B. beim Tatzeitpunkt wirklich noch einen Angriff abzuwehren hatte. Die Täter ihrerseits waren womöglich gerade im Begriff, das Grundstück fluchtartig zu verlassen, da der Alarm bereits ausgelöst hatte. Doch die konkrete Fluchtabsicht ist fragwürdig, denn laut Breas gab es „ein Tohuwabohou und alle liefen durcheinander.“ 
Der so genannte „intensive Notwehrexzess“ würde, sofern hier angewandt, einen Freispruch bedeuten. Er steht unter anderem auch deswegen zur Debatte, da der Rentner die Berichterstattung über einen brutalen Raubmord in nahen Oldendorf am vergangenen Wochenende verfolgt hatte. Dieses könnte dazu geführt haben, dass er schneller zur Waffe griff, als er es womöglich sonst getan hätte. Manches deutet also darauf hin, dass der pensionierte Bestatter und passionierte Jäger Ernst B. straffrei ausgeht. (ar)