Sollte der Staat Wildschäden ersetzen?

Dr. Henning Wetzel (Richter) und Magnus J.K. Wessel (BUND) in der Pro-Contra-Diskussion.

Nonnengänse ©Helmut Pieper

Nonnengänse: bis auf wenige Regionen ganzjährig geschont. Damit entfällt die Schadensersatzpflicht auf den Staat, oder? ©Helmut Pieper

JÄGER-Diskussion

Ein Thema – zwei Expertenmeinungen!

Die Grünen neigen dazu, um ihr Wählerklientel zu befriedigen,Wild dem Jagdrecht zu entziehen oder Arten eine ganzjährige Schonzeit zu geben.Wäre es da nicht recht und billig, wenn der Staat die durch diese Arten entstehenden Wildschäden ausgleicht?

Wetzen ©Jaegermagazin

Wenn der Staat nicht-bestandsbedrohtes Wild, das Schäden in Land-, Forst- oder Fischereiwirtschaft anrichtet, einer Bejagung aus rein ideologischen Gründen entzieht, wird er gar nicht umhinkommen, ab einem bestimmten Zeitpunkt die Grundeigentümer/Bewirtschafter zu entschädigen. Die Jäger geht das zunächst mal gar nichts an. Denn bei Wild ohne Jagdzeit kann eine Wildschadensersatzpflicht nicht angeordnet werden. Denn die gesetzliche Wildschadensersatzpflicht dient nur dazu, demjenigen die Verantwortung für Schäden aufzuerlegen, der das probate Mittel zu deren Verhinderung in den Händen hat. Das ist bei ganzjähriger Schonung oder bei Tierarten, die kein Wild im Sinne des Jagdrechts sind, aber gerade nicht der Fall. Im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Artikel 14 Grundgesetz haben zwar auch Grundstückseigentümer in gewissem Umfang Schäden durch Wild, auch wenn es nicht bejagt werden darf, entschädigungslos hinzunehmen. Wenn aber der Staat, ohne dass unumstößliche artenschutzrechtliche Notwendigkeiten dafür bestehen, schadbringendes Wild nicht zur Bejagung als Mittel der Bestandsregulierung und Schadensverhütung freigibt, kann die Grenze der Sozialpflichtigkeit überschritten sein. Dann besteht für die Grundeigentümer/Bewirtschafter ein Entschädigungsanspruch. Sie erbringen dann ein Sonderopfer aus ihrem geschützten Eigentum, das sie nicht entschädigungslos hinnehmen müssen. Das zeigt sich derzeit besonders deutlich beim Wolf. Hier wird sich in naher Zukunft die Frage stellen, ob der Staat nicht verpflichtet ist, diejenigen, die unter den Folgen der politisch gewollten Ansiedlung leiden müssen, durch positives Handeln in Form einer Regulierungsmöglichkeit zu schützen. Für Gänseschäden etwa gilt nichts anderes. Hier sind aber, wie gesagt, in erster Linie die Grundeigentümer gefordert, sich gegen die ideologischen Jagdzeiten zur Wehr zu setzen.

Wessel ©Jaegermagazin

Wildschaden bezieht sich zur Zeit nur auf die dem Jagdrecht unterstehenden Arten, unabhängig da- von, ob sie bejagt werden oder nicht. „Schaden“ ist dabei vor allem „wirtschaftlicher Schaden“. Dieser ist bis zu einem gewissen Punkt als Teil der Sozialpflichtigkeit von jedem Eigentümer zu dulden, erst ab einer gewissen Schadensschwelle besteht überhaupt ein Recht auf Gegenmaßnahmen, und es kann gegebenenfalls Kompensation verlangt werden. Vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtslage liegt die Verantwortung für den finanziellen Ausgleich von nicht vermeidbaren, unverhältnismäßig hohen Wildschäden bei der Jagd. Mehr staatliche Bürokratie braucht es da nicht, zumal bei der Jagd viele Stellschrauben noch ungenutzt sind, um das Entstehen von Wildschäden gerade in der Forstwirtschaft zu vermeiden. Arten, die nicht dem Jagdrecht unterliegen, sind kein Wild, also gelten andere Regeln. Für diese Arten gilt: Es gibt eine Vorsorgepflicht des Eigentümers, zumutbar das Seinige dafür zu tun, dass Schäden vermieden werden. Schäden die unvermeidbar und unverhältnismäßig sind, können und müssen ausgeglichen werden. Hier nun ist staatliches Handeln gefragt, da der Erhalt von Arten und Lebensräumen und das damit verbundene sinnvolle Ausgleichen der Interessen von Tier und Mensch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und nicht auf einzelne Grundeigentümer, Vereine oder Jäger abgewälzt werden sollte.