Knopfhirsche, -böcke ohne Abschussplan?

Peter Burkhardt und Norbert Happ in der Pro-Contra Diskussion.

Knopfbock

Knopfbock ©K.H. Volkmar

JÄGER-Diskussion 

Ein Thema – zwei Expertenmeinungen

Knopfhirsche, -böcke ohne Abschussplan?

Ob beim Reh-, Dam- oder Rotwild, vielerorts ist das Geschlechterverhältnis zugunsten des weiblichen Wildes verschoben. Zugleich sind die Abschüsse der Knopfböcke oder -hirsche häufig vom Plan befreit. Macht das Sinn?

Vier Jahre ist es her, als mich ein Anruf etwa folgenden Inhalts ereilte: Eine Jägerin hatte ein Revier übernom- men und im zweiten Jahr ihres Wirkens unter anderem zehn Knopfböcke bestätigt. Frage: Was tun? Knappe Antwort: Alle erlegen. Dieses Ansinnen konnte nicht umgesetzt werden, da sie nicht genug Rehwild frei hatte. Eine Nachbeantragung wurde abgelehnt. Nach drei Jahren war eine neue Abschuss- planung fällig und statt sich – wie 30 Jahre lang – stets x Böcke und x Ricken freigeben zu lassen, regte die Waidfrau eine Ver- dopplung des Abschusses an. Der Aufschrei der Nachbarn und die Ächtung auf Hegeringebene folgten umgehend. Dabei war es nur ihr Ziel, in einem nachweislich sehr hohen Rehwildbe- stand mindestens alle geringen Stücke zu entnehmen. Szenenwechsel: Ich sitze im Wald einer großen Forstverwaltung, und mich wechseln nicht weniger als neun Rotspießer, darunter drei schwache „Knopfer“ an. Erlegen darf ich keinen, da die Verwaltung im Rahmen der Hochwildring-Freigabe nur so wenige Hirsche in der Klasse IIIb frei hat, dass sich die Forstpartie – wenn schon IIIer-Hirsche – auf Sechser oder Achter für Jagdgäste festlegte. Das mag finanzielle Gründe haben, wildbiologisch richtige oder waldbaulich überzeugende vermag ich nicht zu erkennen. Bevor auch mich der Bahnstrahl aller Heger trifft: Nein, dies ist kein Ausrottungsfeldzug und keine Wald-vor-Wild-Tirade. Und ja, auch ein Rotspießer ist ein IIIer-Hirsch. Aber wenn im Mai zwei Rotspießer von um die 40 Kilogramm fallen, sind nicht deren Gewichte bezeichnend für den Bestand? Wie interpretieren wir diverse Knopfböcke von um die zehn Kilogramm? Ich bin dafür, Knopfböcke und -spießer aus der Abschussplanung herauszunehmen – temporär und regional –, wo es von ihnen mehr als reichlich gibt und/oder deren schlechte körperliche Verfassung augenscheinlich ist. Wir tun damit mindestens dem verbleibenden Beständen ein großen Gefallen! Dem sie umgebenden Lebensraum vermutlich auch.

Die Bejagung von Schalenwild – außer Schwarzwild – ist (noch) abschussplanpflichtig. Zunächst wollte man das Wild vor der Ausrottung retten. Heute geht es um Regulierung, Aufbau und Erhaltung intakter Bestände. Zuerst muss gezählt werden. Wild lässt sich zählen wie Äpfel und Nüsse, wenn man es in Anblick bekommt – da liegt die Krux. In vielen Wäldern, bei hohem Nadelholzanteil oder vielen Kulturen und Dickungen, ist die Zählung rasch am Ende. Das Wild hat im Winter und Frühling genügend Äsung und zieht nicht ins Freie. Wie dann Bestandszahlen zustande kommen, steht hier nicht zur Debatte. Hat man einen genehmigten Plan, muss man sich daran halten. Unterschreitungen sind fatal, ab- sichtliche Überschreitungen ignorant. Es gibt viele Vorschriften ohne Kontrolle und Ahndung wie Wegegebot oder An- leinpflicht für Hunde. Vorschriften mit Mengenbegrenzung gesammelter Pilze oder des Kirrgutes auf 500 Gramm – im neuen Landesjagdgesetz in Nordrhein-Westfalen manifestiert –, sind lächerlich, da es an Pilz- oder Körnerzählern mangelt. Gesetze und Verordnungen, die nicht durchsetzbar sind oder nicht durchgesetzt werden, führen unseren Rechtsstaat ad absurdum. Nun zur Biologie: Knopfböcke und Plattköpfe wurden früher als „Artverderber“ bezeichnet, man glaubte, Wildbestände „aufarten“ zu können. In meiner frühen Jägerzeit vor 60 Jahren gab es ein Knopfbockproblem. Großflächig wurde Laubniederwald in Fichte umgewandelt, es gab zunächst Äsung in Hülle und Fülle, aber auch Rehe en masse. Ein Jährling stolperte von einem Bockterritorium ins andere, er hatte weder Zeit zu äsen noch ein anständiges Gehörn zu schieben. Flächige Fichten halfen mit, das Problem zu lösen. Die meisten Wildbestände haben einen weiblichen Überhang. Noch stärkere Eingriffe beim männlichen Teil tragen zu ihrer Dynamisierung bei. Meine Meinung: Wir sollten die Erkenntnisse der Wildbiologie ernst nehmen und unsere eigene Planung nicht zur Farce machen.