Mittendrin statt nicht dabei

Es ist eines der bestgehüteten Geheimnisse des deutschen Waidwerks: Wie werde ich auf gute Jagden eingeladen, wenn ich kein Revier habe? Friedrich Jagow verrät humorvoll, welche Tricks helfen und welche böse enden können.

Drueckjagdstrecke

Es ist eines der bestgehüteten Geheimnisse des deutschen Waidwerks:

Wie werde ich auf gute Jagden eingeladen, wenn ich kein Revier habe?

Friedrich Jagow verrät humorvoll, welche Tricks helfen und welche böse enden können.

Verklungen sind Horn und Geläut. Die Repetierbüchse rostet vor sich hin und so langsam spürt man seine Zehen wieder. Doch in den Winterschlaf fallen können jetzt nur Revierinhaber, die auf der sicheren Seite sind. Für alle anderen gilt: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Im Frühjahr muss der Acker bestellt- und der gähnenden Leere in unserem Jagdkalender vorgebeugt werden. Denn Ziel eines jeden passionierten Jägers ist es doch, ab Spätsommer einen Strauß Büttenpapier an die Pinnwand zu montieren; am Liebsten mit Goldrand und Wasserzeichen, vielleicht Familien- oder Landeswappen und der lieblichen Aufforderung … zur Jagd auf Schwarz-, Rot-, Dam, und Muffelwild.

Natürlich ist es jedem unbenommen, sich bei seinem Lehrprinzen durch jahrelanges Dornengewühl, kraftraubendes Pirschpfad-Harken und Hochsitz-Ausschneiden beliebt zu machen. Aber mal ehrlich: Wer hat noch die Zeit und Muße dafür? Geht es nicht auch einfacher? Warum trifft man all jene, die im Besitz einer wildreichen Eigen- oder Pachtjagd sind, so selten in der Treiberwehr an? Eben: Weil sie es nicht nötig haben! Was tut nun also der land- und revierlose, sehnsüchtige Jägersmann, den die Premiumjagd nächsten Herbst außer Überwindung nicht viel kosten darf? Er kümmert sich drum. Wie, das erfahren Sie hier in der weltweit ersten Drückjagd-Erschleichungs-Anleitung. Erfahren Sie die besten Tricks und die schlechtesten. Der Einfachheit halber sind diese Pirsch-Strategien in die Kategorien einfach, schwierig bis hin zu unangenehm gegliedert.

Doch lesen Sie selbst:
Physisch anspruchsvoll 1: Lerne Jagdhornblasen

So mancher glaubt, über das Brauchtum direkt in die Herzen der Jagdherren vorstoßen zu können und müht sich qualvoll am Jagdhorn. Um es gleich vorweg zu nehmen: Aufwand und Ertrag stehen hier in einem eklatanten Missverhältnis. Was in den achtziger Jahren noch für glühende Flintenläufe reichte, bringt heute nicht mal mehr eine Zerwirkschere nebst Bergeseil. Monatelange Qualen erwirken höchstens eine überraschte, erhobene Augenbraue des Jagdherrn, sobald sich der Jung-Hornist salbungsvoll über den Streckenplatz schwebend ins Bläsercorps einreiht. Dabei unterschätzen amüsierte Beständer doch eines: Zu den körperlichen Qualen der Lernphase kommt das Problem der räumlichen Trainingssituation. Wem seine Lebenspartnerschaft etwas bedeutet; wer zu Hause keinen schalltoten Raum hat, der kann jenes jämmerliche Gejaule höchstens unter Autobahnbrücken üben oder allein im Auto. Letzteres bietet zwar optimale Umstände, kann jedoch erhöhte Aufmerksamkeit der Verkehrsaufsicht nach sich ziehen. Aus eigener Erfahrung muss eingeräumt werden, dass diese Strategie für die Einladungsakquise heute völlig ausgedient hat.

Vorteile: Rotes, pralles Gesicht auf jedem Streckenfoto; man wirkt beseelt und darf womöglich mal wieder mittreiben.

Nachteile: Rotes, pralles Gesicht auf jedem Streckenfoto; geplatzte Lippen; schmerzende Mundpartie; vermehrter Aufenthalt unter Autobahnbrücken; Ehekrise, Depressionen.

Erfolgschance: 1 von 5 Goldrandeinladungen

Physisch anspruchsvoll 2: Schaffe Dir einen tauglichen Hund an

Einen begabten Hund als braven Jagdhelfer heranzuziehen, ist die klassische und sicherste Methode, auf vielen Jagden gerngesehener Gast zu werden. Doch wehe dem, der das unterschätzt. Einen Hund verantwortlich aufzuziehen und auszubilden erfordert mehr Einsatz als ein Medizinstudium und die körperliche Verfassung eines Sotschi-Olympioniken. Mehrmals am Tag möchte der neue beste Freund abgetrabt werden, ausgiebig schnüffeln, baden, sich schütteln, lecken, sich beißen, bellen, Geschäft machen und vor allem kauen und nagen. Lernen tut der Hund meist langsam, seine Reinlichkeit lässt zu wünschen übrig und als Gesprächspartner taugt er kaum. Wer sich nun aber trotz alledem für einen Hund entscheidet, kann sich vor allem über dessen taktische Einsetzbarkeit freuen. Mit einem jungen Hund rückt erstens die Tochter des Jagdherrn in greifbare Nähe und mit einem ausgewachsenen der Jagdherr selbst. Ohne rot zu werden, habe ich motivierte Bewerber am Vorabend der Jagd schon sagen hören:

Ich muss mit Eiko/Bella am besten zwischen die Dickungen, damit er arbeiten kann oder Ich würde Ihn schon gerne schnallen, aber dann nur da, wo ich die Schwarzwildwechsel gut im Blick habe, wegen der Sicherheit Gerne nah ans Moor oder Schilf? Der Hund muss Wasserarbeit kennenlernen! Stangenwald zwischen Einständen gewünscht? Der Hund muss seine Motorik einsetzen lernen. Ist ja nen Hetzjäger und sichtlaut sollte er sein! und so weiter und so fort.

Vorteil: Viel Bewegung an frischer Luft; weiblicher Kontakt im Welpenstadium unvermeidlich.

Nachteil: aufkommender Spaß am Treiben; Hundesteuer; zeitaufwändig; langfristige Bindung, (ca. 12 bis 18 Jahre); ernstzunehmende Gefahr eines sog. Hundeticks

Erfolgschance: 4 von 5 Goldrandeinladungen

Physisch anspruchsvoll 3: Verbands- und Vereinsarbeit, Networking

Der Deutsche ist ein vereinsbildendes Wesen. Wer sich diese Eigenschaft zu Nutze macht und keine Scheu hat vor Begriffen wie Jahrestagung, Mitgliederversammlung, oder Umlagebeschluss, sollte hier ruhig sein Glück versuchen. Einen Verband oder Verein gibt es für so gut wie alles und wer sich da gewissenhaft auf die Suche macht, ist schon bald Schriftführer im Feldmarkverband Südhannover, oder Jugendwart beim Freundeskreis Eberesche. Dort lassen sich zwanglos Kontakte zu Lokalgrößen knüpfen.Brenzlig wird es allerdings, wenn das Missverhältnis zwischem politischen Engagement und Einladungsinteresse zu Tage tritt. Man sollte es unbedingt vermeiden, auf Sachthemen oder eine eigene Meinung angesprochen zu werden. Wer es sich hier verscherzt, kriegt bald in seiner ganzen Gegend kein Bein mehr auf den (Wald-)Boden.

Vorteile: Frei Kaffee und Kuchen; Crashkurs in Kommunalpolitik; soziale Anerkennung.

Nachteile: Endlose Sitzungen; leergeschossene Bauernreviere, Amtsverantwortung; Smalltalk-Thema Ballistik

Rating: 1 von 5 Goldrandeinladungen

Moralisch anspruchsvoll 1: Der militante Rehhasser

Der klassische Drückjäger liebt das urige Schwarzwild. Somit ist auch die Schwarzwildpassion kleinster gemeinsamer Nenner und nicht als Alleinstellungsmerkmal geeignet. Dem passionierten Rehwildjäger dagegen bieten sich genau deshalb hier Einfallschneisen und der eiskalte Rehprofi weiß jenes Image zu pflegen:

Mit zwei Frischlingen aus dem Wald kommen und darüber klagen, dass nix los war und leider kein Reh erlegt werden konnte, kennzeichnet Hartgesottene. Sich auslassen, dass bald erster Mai ist und endlich die Schmalrehe aufgehen, aber outet Sie als ÖJV-Klassenprimus und eiskalten Wildtiermanager.
Hier ein paar typische Werbeslogans in eigener Sache:

Es geht dem Reh noch nicht mal um Nahrung, es will einfach nur schädigen, aus Spaß an der Zerstörung wertvollen Nutzholzes und es gehört ausgemerzt. Elende Trughirsche!, Vermaleideite Knospenfresser! oder auch mal ein morgendlich zu laut gemurmeltes Endlich wieder Bambi-Verleidung sind nur einige der Hasstiraden, die in ausgewählter Runde für sofortigen Adressentausch sorgen können. Damit wären wir auch schon beim Problem: Die Rehhasser-Strategie sollte nicht überstrapaziert werden, derartige Radikalmeinungen rufen bei vielen Jägern Verwunderung hervor, wenn nicht gar Abscheu. Der Ruf als Schießer ist schwerer wieder auszumerzen als ein Rehbesatz im Buchenrauschen.

Vorteile: Stände in Naturverjüngen; großzügigste Freigaben.

Nachteile: Wildfreie Reviere; Kitz-Lichter im Absehen.

Rating: 3 von 5 Goldrandeinladungen

Moralisch anspruchsvoll 2: Die Tochter des Jagdherren

Hier ist eigentlich nicht viel zu sagen. Großelterliche Mantras wie Schönheit vergeht, Hektar besteht haben in unserer aufgeklärten und gleichberechtigten Gesellschaft kaum noch Platz. Strategisch arrangierte Hochzeiten sind passé und scheitern heutzutage bereits an der mittlerweile erforderlichen Paarungsbereitschaft der Dame. Aus diesem Grund ist diese Herangehensweise schwierig, es sei denn, die Absichten sind absolut ehrlich und ehrbar. Beachten Sie aber hierbei, dass mittellose Bewerber bei vielen Schwiegervätern nicht unbedingt offene Türen einrennen und die Herren in der Regel mit der Flinte umgehen können.

Vorteile: als Schwiegersohn fast nicht ausladbar.

Nachteile: bewaffneter Schwiegervater; Gewissensbisse; eigene Kinder in der Treiberwehr.

Rating: 3 von 5 Goldrandeinladungen

Technisch anspruchsvoll 1: Mitschneiden betrunkener Einladungen

Wurde nicht jeder von uns schon mal beim Schüsseltreiben von unseren begüterten Zechkumpanen gegen Brockenhexe, Hubertustropfen oder Kümmerling zur Drückjagd eingeladen? Doch, wo im Wein die Wahrheit liegt, da macht der Schnaps manchen leichtsinnig! Denn fast ebenso oft kamdann weder Fax noch Email, der ersehnte Anruf blieb aus und zufällige Begegnungen blieben von beiderseitiger Beklemmung gekennzeichnet allen bierseligen Horrido´s zum Trotz. Hier hilft die moderne Technik. Musste früher noch ein Mikrofon umständlich im Gamsbart abgetarnt und der Kabelsalat unterm Janker verborgen werden, hält jeder Waidgenosse heutzutage den nächsten Kaiserstand in der Hand  sein Smartphone. Das dauernde Filmen, Fotografieren und Hochladen ist eine unbestechliche Art, die schnapsgeschwängerten Spontan-Einladungen endlich zu dokumentieren.

Der Haken: Wie rufen wir die Geste der Freundschaft dem Jagdherrn wieder ins Gedächtnis? Hierzu gehört neben der technischen Ausrüstung ein kühler Kopf und enorme Unbeirrbarkeit.

Vorteile: Unbestechliche Sachverhaltsaufnahme; Erinnerungen auch an neblige Abende;

Nachteile: Verklemmung auf hohem Niveau; keine langfristige Bindungswirkung, schwacher Akku wegen Kälte.

Rating: 2 von 5 Goldrandeinladungen
Moralisch anspruchsvoll 3: Erfolgsgarant vortäuschen

In jeder Jagdrunde gibt es immer einen vom Glück Geküssten, Dianas Liebling, Gustav Gans in Lodenkotze. Es sind Jagdfreunde, die man auf den sprichwörtlichen Misthaufen stellen kann und die trotzdem mit vollen Händen zurückkommen. Abgesehen vom Aberglauben, hat dies jedoch meist einen ganz profanen Grund:

Der vom Glück Besonnte kommuniziert ganz einfach seine jagdlichen Erfolge und Fähigkeiten anders als der Durchschnittsjäger. Während der normale Waidmann alle Ereignisse der Saison anspricht, einschließlich verschlafener Rotten, Fehlschüssen und abgeschossenen Zweigen, macht Gustav Gans genau dies nicht. Er redet ausschließlich über Erfolge, hebt gute Leistungen hervor und unterstreicht sein richtiges Handeln. Selbstironie ist zwar symphatisch, suggeriert aber Schwäche. Fehlschüsse und Kontrollsuchen können ebenso gut leise mit dem Ansteller besprochen werden, damit muss man doch am Lagerfeuer niemanden belasten. Wer nur Erfolge kommuniziert, erweckt automatisch den Eindruck des Erfolgreichen. So simpel und doch so effektiv. Wer sich also nun diese Eigenschaft zu Nutze macht, wird getriebene Sauen ernten zumindest die einfacheren. Schließlich stellt sich so etwas wie eine selbst erfüllende Prophezeihung ein. Die Einladungen werden sich häufen und damit natürlich auch die Jagderfolge.

Vorteile: Leicht anwendbar; gute Laune und positive Einstellung; sympathische Lachfalten

Nachteile: Selbstironie abgewöhnen; Understatement abgewöhnen; Jagdneid; unsympathische Krähenfüße

Rating: 4 von 5 Goldrandeinladungen

Physisch anspruchsvoll 3: Erfolgsgarant werden

Deutlich anstrengender als das Vorgenannte ist die Variante, sich selbst wirklich zum Erfolgsgarant zu machen. Das setzt kontinuierliches, regelmäßiges Training, einen eisernen Willen, enormen Zeitaufwand und Disziplin voraus. Nur wer sich über das Jahr verteilt regelmäßig an den verschiedenen Waffengattungen schult, Flinte wie Büchse auch im Frühjahr und Sommer mehrmals wöchentlich auf dem Schießstand zum Glühen bringt, strenge Diät hält und vielen weltlichen Freuden entsagt, hat eine Aussicht, sich über Jahrzehnte einen Ruf als Ausnahmejäger aufzubauen, den wirklich jeder gerne einlädt. Zur körperlichen und psychischen Extrembelastung kommt eine ständige Fortbildung der theoretischen Kenntnisse. Reflextraining mit Keilersilhouetten, Studium von Bestandskurven, Zahnkunde, Ballistik- und Waffenschulungen, sowie Abhärtungs- und Meditationsübungen für nervliche Belastbarkeit, seien hier nur beispielhaft genannt. Dazu kommt eine unabdingbare Verfeinerung der Umgangsformen. Man muss verbindlich werden, aber nicht aufdringlich, hilfsbereit aber nicht anbiedernd, fördernd, niemals fordernd, beherzt, aber nicht waghalsig – rundheraus gesagt, es ist nachgerade eine Lebensaufgabe. Wer das wirklich auf sich nehmen möchte, der sei gewarnt: Enorm anstrengend und auch zeitlich bis zum Herbst kaum zu bewältigen! Daher nur bedingt zu empfehlen.

Vorteile: Enormer Zuwachs an Können und Fähigkeiten; Anerkennung von allen Seiten;

Nachteile: Hoher Zeit- und Materialaufwand; verlangt Disziplin und Hingabe;

Rating: 5 von 5 Goldrandeinladungen